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Das neue Wahlgesetz stärkt nicht die Mitwirkung de Bürger, sondern stärkt die Parteien

Das mit großer Spannung erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Wahlrechtsänderung der Ampelkoalition hatte zwei Überraschungen. Die erste Überraschung war, dass bereits einen Tag vorher der Text des Urteils bekannt geworden ist. Aus Gründen, die aktuell noch nicht geklärt sind, wurde die elektronische Post des Gerichts ausgeforscht. Die zweite Überraschung war, dass ein Teil des von der Ampelregierung beschlossenen Gesetzestext verfassungswidrig ist.

Es ist unbegreiflich, wie es in zunehmenden Maße möglich ist, dass Unbefugte in die elektronischen Postfächer eindringen können, so dass der Eindruck besteht, dass es gar keine Vertraulichkeit und geschweige Geheimhaltung in diesem Landes gibt.

Die jetzt vorliegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt fest, dass das sogenannte Zweitstimmendeckungsverfahren, das das neue Wahlrecht jetzt vorsieht, verfassungskonform sei. Zweitstimmendeckungsverfahren bedeutet, dass die Zweitstimme, also die Stimme, die ausschlaggebend für die Parteien sind, zukünftig eine größere Bedeutung hat, als die Erststimme, die ausschließlich über den Einzug eines Kandidaten in den Bundestag entscheidet. Zukünftig hat nur der Bewerber ein Mandat erhalten, der entweder über die Parteiliste indirekt gewählt worden ist sowie ein Direktkandidat, wenn dessen Partei über eine ausreichende Mehrheit und damit über eine genügende Anzahl von Sitzen im Parlament verfügt. Kandidaten, die zukünftig direkt gewählt werden, dessen Partei aber nicht aufgrund des Parteistimmenergebnisses über genügend Parlamentssitze verfügt, gehen leer aus.

Das Bundesverfassungsgericht stellte dazu lapidar fest, dass der Gesetzgeber hier einen großen Spielraum in der Gestaltung des Wahlrechts habe. Der Bürger müsse sich daran gewöhnen, dass er auch mit Änderungen im Wahlrecht leben müsse. Auch dass die Regierungsparteien gegen den Willen der übrigen im Bundestag vertretenen Parteien per Mehrheitsbeschluss das Wahlrecht geändert haben, sei unbedenklich. Die CDU hat bereits angekündigt, dass sie bei einer zukünftigen Regierungsbeteiligung das Wahlrecht wieder ändern will.

Die im neuen Wahlrecht vorgesehene generelle Aufhebung der 5%-Klausel, auch dann, wenn eine Partei mindestens drei Direktmandate erreicht hat, wurde vom Gericht verworfen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Lex-CSU, die bei der von der Ampelregierung vorgesehenen Regelung hätte befürchten müssen, trotz Erreichen aller Direktmandate in Bayern nicht mehr im Bundestag vertreten zu sein, weil sie bundesweit als Partei keine fünf Prozent der Wähler auf sich vereinigen konnte.

Letztlich profitiert davon auch die Linke, sofern es ihr gelingen sollte, mindestens drei Direktmandate zu erreichen. Aus der Begründung des Gerichts konnte herausgelesen werden, dass jedoch die CDU/CSU-Thematik bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht im Vordergrund gestanden hat.

Über die jetzt gültige Wahlregelung kann man sehr geteilter Meinung sein. Einerseits ist es zu begrüßen, dass der Aufblähung des Bundestages nunmehr ein Ende gesetzt worden ist. Anderseits hätte man dies auch durch andere Verfahrensweisen, die nicht qualitativ die Wahlen für den Bürger abgewertet hätte erreichen können. Nach dem jetzt beschlossenen Verfahren haben die Parteien eine noch stärkere Einflussmöglichkeit in der politischen Willensbildung erhalten. Abgeordnete sind noch mehr abhängig von ihren Parteien, die ihrerseits damit auch noch mehr Druck auf ihre Abgeordneten machen können. Das Wohl und Wehe eines zukünftigen Abgeordneten, der für eine Partei antritt, hängt jetzt noch mehr von dem Erfolg seiner Partei ab. Das ist keine gute Entwicklung für die Demokratie. Die Stimme des Bürgers wird damit entwertet, weil dieser grundsätzlich nicht mehr ausschließlich Personen wählen, sondern dabei immer die jeweilige Partei unterstützen muss. Die Ausnahme besteht nur bei den freien Kandidaten, die sich zur Wahl in den Bundestag stellen und nur über ein Direktmandat gewählt werden können. Diese bilden jedoch eine unbedeutende Minderheit.

Die vom Bundesverfassungsgericht jetzt vorgezeichnete Regelung, die von vielen als sehr intelligent angesehen wird, ist aus Sicht des Verfassers dieser Zeilen keine gute Entwicklung für unsere demokratische Gesellschaft. Wir befinden uns weiter auf dem Weg, bei dem die Parteien immer mehr das Sagen haben. Die ursprüngliche Idee der Gründungväter des Grundgesetzes, wonach die Parteien an der Willensbildung des Volkes beteiligt sind wird immer mehr dahingehend verändert, dass sie nicht mehr an der Willensbeteiligung des Volkes beteiligt sind, sondern ihren Willen dem Volk aufdrücken. Insofern würden wir uns wünschen, dass das jetzt gültige Wahlrecht keinen langen Bestand hat.