Der tschechische General im Ruhestand Petr Pelz, ehemaliger Direktor des tschechischen Militär-Geheimdienstes, wurde auf dem privaten Radio «Radio Universum» von der bekannten tschechischen Moderatorin Martina Kociánová interviewt. Etliche seiner Aussagen in diesem Interview unterscheiden sich total vom „offiziellen“ Narrativ der NATO-freundlichen Mainstream-Medien, wie der Krieg in der Ukraine entstanden ist. – Achtung: Da das Interview im Radio mündlich gemacht wurde, ist auch das Skript davon gelegentlich etwas gar umgangssprachlich. Aber des Generals brisanteste Aussagen sind trotz allem unmissverständlich.

Einleitung von Martina Kociánová: Der einzig richtige Weg, den Konflikt in der Ukraine zu beenden, ist eine politische Einigung, sagt der chinesische Präsident Xi Jinping. Das sagte er zum Beispiel nach seinem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im April, der eigens nach China geflogen war, um über den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Kurz zuvor, im März, stattete der chinesische Präsident Moskau einen dreitägigen Staatsbesuch ab, und schon früher stellte Peking seinen Friedensplan für die Ukraine vor. Doch viele westliche Länder stehen Pekings Vorschlag angesichts der engen Beziehungen zwischen China und Russland skeptisch gegenüber. Wann und unter welchen Bedingungen wird dieser Konflikt enden? Wie wird er die Welt, in der wir leben, verändern? Und wie werden wir nicht nur über diesen Konflikt, sondern über alle wichtigen Entwicklungen um uns herum und in der Welt informiert? In einer Demokratie treffen die Menschen Entscheidungen, aber das A und O für gute Entscheidungen sind zweifellos gute Informationen. Haben wir die?

Ich werde einen der maßgeblichen Experten für militärische Angelegenheiten, aber auch für die Arbeit mit Informationen, befragen: einen ehemaligen Direktor des militärischen Nachrichtendienstes, einen ehemaligen Diplomaten, Botschafter in Afghanistan, und ich möchte Sie (die Zuhörer und Zuhöherinnen, Red.) auch daran erinnern, dass er viereinhalb Jahre lang in New York als Sicherheitsberater des Ständigen Vertreters der Tschechischen Republik bei der UNO gearbeitet hat: General Petr Pelz ist mein Gast.

Fragen und Antworten

Martina Kociánová:  Herr General, wir haben wiederholt verbale Scharmützel darüber erlebt, ob wir uns im Krieg befinden oder nicht. Argumente und Pseudoargumente flogen von einer Seite zur anderen. Der Premierminister behauptete, wir befänden uns im Krieg. Dann, nach einer Weile, wurde diese Aussage zur Metapher erklärt. Doch als der Vorsitzende der Oppositionspartei verkündete, er wolle nicht, dass wir in einen Krieg hineingezogen werden, wurde er dafür angegriffen, dass er den Krieg für einen politischen Kampf benutzt. Chaos der Worte, Chaos der Bedeutung – Verwirrung. Sagen Sie mir als Militär- und Sicherheitsexperte, was halten Sie davon? Befinden wir uns im Krieg oder nicht?

Petr Pelz: Ich denke, wir müssen es so angehen, dass wir heute tatsächlich in einer Welt der virtuellen Realität leben und die heutigen politischen Führer im Westen eine Generation sind, die nur Worte, Posen und Metaphern ernst nimmt. Manchmal passt die Metapher also so, manchmal passt die Metapher genau umgekehrt. Wir befinden uns natürlich nicht im Krieg, denn das sähe hier anders aus, und es wäre schwierig, den Menschen all die Opfer zu erklären, die sie auf dem Altar dieses Unternehmens bringen müssten, und damit meine ich jetzt nicht nur direkt in den Krieg zu ziehen und dort zu sterben oder verwundet zu werden, sondern auch wirtschaftlich. Ich schätze, die Steuern müssten erhöht werden und so weiter. Manchmal ist es also praktisch und manchmal nicht, dass wir uns im Krieg befinden.

Martina Kociánová: Aber wenn ich einwerfen darf, ich habe gerade eine Aussage von Ihnen gelesen, dass wir uns angesichts der Art und Weise, wie wir kooperieren, uns an Sanktionen beteiligen, Waffen liefern, ukrainische Soldaten ausbilden, ausbilden, ausbilden, wie man so schön sagt, dass wir uns praktisch im Krieg befinden.

Petr Pelz: Aber genau das wollte ich sagen, als ich „A“ sagte…

Martina Kociánová: Ja.

Petr Pelz: Es war ein A nach dem Komma, oder aber…

Martina Kociánová:  Dass wir uns eigentlich offiziell im Krieg befinden, aber…

Petr Pelz: Was die militärische Logik angeht, fürchte ich, dass wir von Russlands Standpunkt aus gesehen, ich will nicht sagen rechtlich, denn die Gesetzgebung ist eine komplizierte Angelegenheit, aber wir sind ein logisches … Wir können unter bestimmten Umständen, wenn jemand im russischen Generalstab beschließt, dass die Ausbildung von Soldaten, die gegen sie kämpfen, vermieden werden sollte – wir können zu einem Kriegsziel werden. Ich denke, und ich spreche hier nicht von internationalem Recht, dass die militärische Logik eine solche Situation herbeiführen kann.

Martina Kociánová:  Sagen Sie mir, warum glauben Sie, dass die Worte des Premierministers, „Wir befinden uns im Krieg“, anfangs so stark waren, und warum diese Worte dann in Frage gestellt wurden? Ich denke, das ist eine so starke Aussage, dass wir hier wahrscheinlich jedes Wort abwägen sollten. Haben Sie den Eindruck, dass wir zu sehr mit dem Begriff jonglieren?

Petr Pelz: Auf jeden Fall. Aber ich verstehe den Präsidenten in dieser Frage: Erstens wird der Lebensstandard hier (in der Tschechischen Republik, Red.) drastisch gesenkt, weil wir Teil von, meiner Meinung nach, völlig sinnlosen Sanktionen gegen Russland und andere internationale Organisationen sind, also müssen wir das irgendwie rechtfertigen. Nun, lassen Sie sich nicht überraschen: Die Rentner werden weniger Geld bekommen – wir befinden uns im Krieg. Dann wird jemand vor den Wahlen sagen: „Ziehen Sie uns nicht in den Krieg, ich bin gegen den Krieg.“ Und wenn jemand das sagt, wie in diesem Fall Herr Babiš, dann ist das natürlich falsch, denn wir befinden uns nicht im Krieg, und das nutzt jemand aus. Befinden wir uns also im Krieg oder nicht? Sie fragen sehr gut, aber (für eine Antwort, Red.) sollte der Premierminister hier sitzen.

Martina Kociánová:  Nun, wenn wir uns wirklich an das Völkerrecht halten, gibt es so etwas wie eine offizielle Kriegserklärung eines Landes, und in diesem Fall können wir also sagen, dass wir uns nicht im Krieg befinden.

Petr Pelz: Wir befinden uns nicht im Krieg. Aber schauen wir uns zum Beispiel die USA an, die sich seit, ich weiß nicht wie vielen hundert Jahren in Folge, im Krieg befinden. Ich will gar nicht zählen, ich habe mich nicht darauf vorbereitet, aber sie befinden sich permanent in irgendeiner Form im Krieg. Und der letzte Krieg, den der US-Kongress erklärt hat, war der Zweite Weltkrieg. Es wäre also ein zu großer Luxus für die moderne Welt, immer noch von solchen Regeln beherrscht zu werden.

Martina Kociánová:  General Peter Pelz, wenn ich Ihre Aussagen, Ihre Interviews oder Ihre Artikel lese, komme ich zu dem Schluss, dass Sie persönlich ein Problem mit diesem Krieg haben, dass Sie nicht damit einverstanden sind. Glauben Sie, dass es auch anders hätte laufen können?

Petr Pelz: Natürlich hätte alles anders laufen können. Sehen wir mal, das erste und das zweite Minsker Abkommen wurden angenommen. Das zweite Minsker Abkommen wurde irgendwann im Februar 2015 angenommen, und dann wurde sogar am 17. Februar 2015 vom UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, in der die Parteien aufgefordert wurden, unverzüglich einen Waffenstillstand zu schließen. Sie legte sogar für jede Waffe fest, welche Reichweite sie hat, und so sollte eine Pufferzone geschaffen werden, von Steinschleudern, etwa 20 Meter, bis hin zu solchen mit einer Reichweite von mehreren hundert Kilometern, die ausgeräumt werden sollten. Das ukrainische Parlament sollte auf der Grundlage dieser Resolution des Sicherheitsrates – ich wiederhole noch einmal, so eine Resolution ist wahrscheinlich das höchste, was es im internationalen Recht geben kann – innerhalb von 30 Tagen nach dem 17. Februar 2015 ein Gesetz verabschieden, das eine Situation im Donbass in den Republiken oder Gebieten, ich weiß nicht, wie sie es damals rechtlich nannten, geschaffen hätte, so dass dort eine provisorische Regierung gebildet werden konnte, die diese Staaten repräsentiert. Und diese Staaten sollten sprachliche und andere Minderheitenrechte haben, und sie sollten eine gewisse Autonomie haben. Ich wiederhole für die Zuhörer: 30 Tage ab dem 17. Februar 2015. Was wäre passiert, wenn das respektiert worden wäre?

Heute oder vor ein paar Monaten sagten Angela Merkel und Francçois Hollande, der französische Präsident, und Petro Poroschenko, dass dies eigentlich nur eine Art Falle für Putin war, damit die Ukraine sich gut bewaffnen konnte. Ich frage Sie: Warum sollte sich die Ukraine so schrecklich bewaffnen, wenn alles in Ordnung wäre, wenn die östlichen Regionen der Ukraine einfach ihre eigene Verwaltung und Autonomie hätten?

Martina Kociánová:  General …

Petr Pelz: Pardon. Kann ich etwas mehr Zeit haben?

Martina Kociánová:  Ja, die haben Sie.

Petr Pelz: Ich habe so angefangen und ich wollte sagen, dass dies unser Interesse ist. Ich erinnere mich, ich habe es schon einmal gesagt …

Martina Kociánová: „Das ist unser Interesse.“ Was meinen Sie damit?

Petr Pelz: Die Ukraine als Ganzes zu erhalten und dass sie neutral ist. Wir haben immer gesagt, ich habe es damals sogar vorgeschlagen: „Die Ukraine ist der Eckpfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur.“ Und so ist es auch heute noch. Wir leben immer noch in einer Lüge – medial, politisch. Die Ukraine. Was ist die Ukraine? Die Ukraine ist so etwas wie die Schweiz, aber jeder kennt die Schweiz, jeder sagt, sie sei schweizerisch, aber wir alle wissen, dass es (in der Schweiz) Franzosen, Italiener, Deutsche und sogar Rhätoromanen gibt. Aber bei der Ukraine weigern wir uns, sie (die unterschiedlichen Teile) zu anerkennen, obwohl es mindestens deren drei gibt: Die Ostukraine, wo sie mehr oder weniger Russen sind. Dann gibt es die Westukraine, die – ich weiß nicht, was sie sind – aber sie sehen sich als Skandinavier und Deutsche oder ich weiß nicht was. Und dann gibt es da noch die Zentralukraine, die im Grunde genommen die echten Ukrainer sind, die oft Russisch als erste Sprache sprechen, sich aber als Ukrainer fühlen, und die es am schlimmsten erwischt hat. Und dadurch, dass sie diesen Konflikt zugelassen oder ihn sogar verursacht haben, ist die Ukraine heute arm, würde ich sagen, und hört langsam auf, als (eigenständiger) Staat zu existieren. Und die Ärmsten sind eigentlich die in der Mitte, denn die im Osten sind entweder nach Russland gegangen oder sie kämpfen. Und die im Westen, die sich, wie wir es nennen, als Europäer fühlen, jemand anderes nennt sie Nazis, jemand anderes nennt sie integrale Nationalisten, also auch sie kämpfen und sie haben ihr Recht. Und die in der Mitte leiden einfach.

Und wir werden weitermachen, denn was war unser Interesse, unser Interesse erstens als Europa und zweitens unser Interesse als Tschechische Republik? Unser Interesse war es, die Ukraine zu erhalten. Die Russen, was ich damals, als ich dies in den 1990er Jahren erklärte, nicht dachte, aber auch für Russland war die Grundlage eine neutrale Ukraine, denn so haben sie eine Pufferzone. So wie wir die Russen hier fürchten, fürchten die Russen ihrerseits den Westen. Und die Ukraine, die sowohl die Russen als auch den Westen mag, ist eine perfekte Ergänzung. Und die Tatsache, dass es völlig gegensätzliche Ansichten gibt, sorgt dafür, dass die Wahlergebnisse immer mittelmäßig ausfallen wird. Sie sorgt also für Stabilität. Es würde sicherstellen …

Martina Kociánová:  Sie haben hier die Minsker Vereinbarungen erwähnt, Sie haben die zweite aus dem Jahr 2015 erwähnt, aber Ihre Gegner in den Medien sagen, dass der von Ihnen erwähnte Waffenstillstand von den russischen Truppen nicht eingehalten wurde, sie kämpften weiter, bis es ihnen gelang, Debalzewe einzunehmen. Dann habe ich auch gelesen, dass auf der Grundlage dieser Vereinbarungen in den abtrünnigen Gebieten Wahlen nach ukrainischem Recht abgehalten werden sollten, was Russland angeblich nicht zuließ, und dass das alles von, sagen wir, russischen, separatistischen Milizen und dergleichen orchestriert wurde. Was halten Sie von diesen Argumenten oder Gegenargumenten?

Petr Pelz: Natürlich war es von den Russen inszeniert, denn die Russen sind dort. Und ich habe es schon einmal gesagt, und ich sage es ein drittes Mal: 30 Tage nach dem 17. Februar hätte es ein ukrainisches Gesetz geben müssen, das sich mit diesem Problem befasst. Es war sicher nicht so, dass die ukrainische Armee, arme, gute Leute, sich zurückzog, sich weigerte zu kämpfen, weil die Regierung es ihnen befahl, und dass die sogenannten Rebellen weiter auf sie einschlugen. Jeder vernünftige Mensch weiß, dass dies nicht der Fall sein kann, denn es ist Unsinn. Und außerdem gibt es Beweise dafür. Beide Seiten haben nicht aufgehört. Aber wer sollte das sicherstellen? Logischerweise hätte die ukrainische Regierung im Auftrag des UN-Sicherheitsrats dafür sorgen müssen.

Martina Kociánová:  Eben haben Sie den Satz gesagt: „Wir haben den Konflikt zugelassen“, und dann haben Sie sich korrigiert und gesagt: „Sie haben ihn verursacht.“

Petr Pelz: Sicher, denn wenn die Minsker Vereinbarungen eingehalten worden wären, wie ich sagte, wäre nichts passiert. Aber wir wissen, dass sowohl die Aktionen als auch die verschiedenen Theorien – die erste, die zum Beispiel in der Verteidigungsplanungsrichtlinie von 1992, die von Paul Wolfowitz (in den USA) verfasst wurde, auftauchte, lautete, dass die USA nicht zulassen dürfen, dass ein Rivale, der so mächtig ist wie die Sowjetunion, auf sowjetischem Territorium oder irgendwo anders auftaucht – wenn Sie daran zweifeln, können Sie das nachschlagen. Was dürfen sie nicht zulassen? Und dann gibt es noch andere. Die Rand-Studie von 2019, die gleich in der Überschrift festhält, wie Russland geschwächt werden muss. Die Theorie, dass Russland „entkolonialisiert“ werden muss, was sehr schön ist, d.h. Russland in mehrere Ministaaten aufteilen, die wir kontrollieren können. Wenn die Russen das hören, arrangieren sie sich natürlich auf irgendeine Weise, und das sind die Gründe, die den Krieg verursacht haben.

Aber es gibt auch Gründe, die in der amerikanischen Wirtschaft liegen. Das heißt, dass die USA von drei Oligarchien kontrolliert werden. Das sind also die Gründe, die meiner Meinung nach – manche mögen das anders sehen – zu diesem Krieg geführt haben. Und natürlich kann niemand daran zweifeln, wer der Initiator und der Vollstrecker der sogenannten Revolution (auf dem Maidan) im Februar 2014 war. Dafür gibt es Beweise.

Ich bin pro-westlich, aber der Westen, die USA, wurde (von den Reichsten) übernommen …

Martina Kociánová:  Aber Sie wissen, dass die westliche Welt das ganz anders sieht. Nicht alle, aber die meisten Politiker. Nicht alle, aber vielleicht die meisten Bürger, und sicher nicht alle, aber die meisten Journalisten. Sie haben gerade gesagt: „Niemand kann bezweifeln, wer hinter 2014 in der Ukraine steckt.“ Wer dann?

Petr Pelz: Nun, am 13. Dezember 2013 sagte Victoria Nuland im Press Club in New York, dass die USA seit ’91 eine beträchtliche Menge an Geld für die sogenannte Demokratie-Entwicklung ausgegeben haben. Und wie hat sich das dort entwickelt?

Martina Kociánová: Für die Entwicklung der Demokratie in der Ukraine?

Petr Pelz: Ja, in der Ukraine. Und wie ist es dort gelaufen? Nur ganz kurz: Im November 2013 setzte Präsident Janukowitsch das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union aus, wahrscheinlich weil Russland ihn unter Druck setzte, es nicht zu unterschreiben, und so versuchte er, sich in irgendeiner Weise durchzulavieren. Aber es ist wichtig festzuhalten, dass er das Assoziierungsabkommen ausgesetzt hat. Was hat er oder seine Regierung damit beabsichtigt? Das ist die Frage.

Und dann hatten wir den Februar. Ab November gab es immer wieder Demonstrationen, und am 21. Februar unterzeichneten Radek Sikorski für Polen und Steinmeier für Deutschland sowie Eric Fournier, der Vorsitzende oder Direktor der Osteuropa-Abteilung des französischen Außenministeriums, der Ombudsmann, und der russische Botschafter einen Vertrag, oder ich weiß nicht, ob es ein Vertrag ist, der nicht rechtlich angefochten werden soll, sondern der besagt, dass es hoffentlich im Herbst (vorgezogene) Wahlen geben wird, und dass Janukowitsch bis dahin Präsident bleiben sollte und alles geregelt werden würde. Und noch am selben Abend flieht Janukowitsch aus Kiew, weil es den nationalen Integrationisten – oder Nationalisten – nicht gefällt. Aber wer dahinter steckt, geht aus dem Interview hervor, das durchgesickert ist, oder besser gesagt, von den Russen aufgezeichnet und in die sozialen Netzwerke gestellt wurde. Es soll am 27. oder 28. Januar stattgefunden haben und wurde am 4. Februar, oder wann auch immer, ins Internet gestellt. Es handelte sich um ein Gespräch zwischen Victoria Nuland und Geoffrey Pyatt, dem US-Botschafter in der Ukraine, bei dem es darum ging, wer in der ukrainischen Regierung sitzen soll. Es ist das berühmte Telefongespräch: „Scheiß auf die EU“. Es war also klar.

Und einen Monat vor dem Sturz Janukowitschs wählten Victoria Nuland und der US-Botschafter aus, wer in der Regierung sitzen sollte und wer nicht. Und das ist genau so passiert, wer kann daran zweifeln? Ich möchte hier nicht näher darauf eingehen, wer damals am 20. oder 22. oder wann auch immer auf Menschen geschossen und sie getötet hat – die Scharfschützen. Das möchte ich lieber nicht sagen, aber jeder kann es nachlesen.

Martina Kociánová:  Jetzt haben Sie eine Menge Informationen genannt, die nachweisbar sind. Erzählen Sie mir davon: Warum wird es dann, wenn wir dieses Interview ausstrahlen, viele Leute geben, die sagen: „Das stimmt nicht.“ Genauso wie es eine Menge Politiker geben wird, die sagen werden: „Das ist nicht wahr.“ Was kann man tun, um herauszufinden, wo die Wahrheit liegt?

Petr Pelz: Nun, finden Sie es heraus. Aber was soll man tun, nachdem man sich mehrere Jahre lang mit diesen Dingen beschäftigt hat – in meinem Fall? Ich wurde im Westen ausgebildet, ich habe eigentlich die ganze Zeit des Kommunismus in einer Art Widerstand verbracht, obwohl ich kein erklärter Gegner war, aber ich war an der Grenze.

Martina Kociánová:  Wenn Sie in der Armee waren, dann…

Petr Pelz: Nein, das war ich nicht. Ich war in der Armee, bis… Ich war Vermessungsingenieur, habe geodätische Astronomie studiert, dann habe ich auf Baustellen gearbeitet und wäre fast wegen der Politik verhaftet worden. Im Sommer 1989 war ich merkwürdigerweise Chefvermesser einer Firma, einer ziemlich großen Baufirma in Prag, was unglaublich ist, also rief ich die Vermesser zusammen und ließ sie ein paar Sätze unterschreiben, die alle unterschrieben haben, bis auf einen. Ich war also auf einer ganz anderen Seite der Barrikade.

Martina Kociánová:  Oh. Sie haben also tatsächlich eine Geheimdienstausbildung im Westen absolviert. Das bedeutet, dass Sie logischerweise pro-westlich sein sollten. Und was Sie jetzt sagen…

Petr Pelz: Ich bin pro-westlich, aber der Westen ist (von den Reichsten) übernommen worden. Schauen Sie sich an, wie die Wahlen in den USA aussehen. Wenn Sie sich die Statistiken ansehen, spendet ein Zehntel eines Promilles, die Reichsten, 57 Prozent (der Spenden) an Politiker, die dann in den Kongress kommen.

Martina Kociánová:  Tut mir leid, ich habe Sie missverstanden. Ein Zehntel wovon?

Petr Pelz: Ein Zehntel eines Promille.

Martina Kociánová: Ein Promille?

Petr Pelz: Es gibt 57 Prozent aller Spenden an Politiker, die gewählt werden. Vielleicht ist eine Statistik ein wenig anders, also lassen Sie es 10 Prozent anders sein. Und ich stelle den Zuhörern die Frage: Wenn sie sagen, dass das nicht stimmt, dann sollen sie A finden, und B: Würden die Reichen das tun, wenn es sich nicht lohnen würde? Und deshalb sage ich, dass ich pro-westlich bin. Es tut mir trotzdem leid, und die Ukrainer tun mir leid, und die verbliebenen Amerikaner, deren Land (von den Reichsten) übernommen wurde, tun mir leid.

Martina Kociánová:  Haben Sie deshalb vorhin gesagt, wenn ich es richtig aufgenommen habe, dass die USA von drei Oligarchien kontrolliert werden?

Petr Pelz: Ja.

Martina Kociánová:  Darf ich nach Namen fragen?

Petr Pelz: Das sind keine Namen, aber sie heißen FIRE: Finance, Insurance, and Real Estate (Finanz-, Versicherungs- und Immobiliensektor), dann MIC: Military Industrial Complex (militärisch-industrieller Komplex) und OGAM, was für Oil, Gas und Mining (Öl, Gas und Bergbau) steht. Und die daheim, wie gesagt, auf diese Weise vorgehen und den Kongress kontrollieren und die Präsidentschaftswahlen. Und was ihnen aus den Händen geglitten ist, war Trump. Trump ist unkontrollierbar, und deshalb mögen sie ihn auch – er ist nicht geeignet, Präsident zu sein.

Martina Kociánová:  Und ich werde jetzt ein bisschen pingelig sein. Sie sagten: „Lassen Sie die Leute nachschlagen, dass 53 Prozent der…“

Petr Pelz: Vielleicht sind es 50 oder 40. Ich weiß es nicht.

Martina Kociánová:  Die Spenden an die Politiker stammen aus diesen, sagen wir, finanziellen Top-Gruppen. Aber ich nehme an, Sie können das nicht nachverfolgen?

Petr Pelz: Das kann man.

Martina Kociánová:  Das sind doch meist geheime Informationen.

Petr Pelz: Nein, das ist…

Martina Kociánová:  Nicht viele Parteien können das zugeben…

Petr Pelz: Nein, es gibt ein Gesetz, das besagt, dass sie es zugeben müssen. In Amerika ist es nämlich genau andersherum. Dort brüsten sie (die Reichen) sich im Gegenteil damit. Denn je mehr Spenden sie sammeln, desto mehr…

Martina Kociánová:  Er hat die Unterstützung von…

Petr Pelz: Er hat mehr Unterstützung und er ist größer. Aber diese Unterstützung kommt von diesen Oligarchien, und sie richten sich gegen die Grundlagen des Marktkapitalismus. Sie gehen eine Symbiose ein: der Staat, die großen Konzerne, die Medien. Heute ist alles in ihrer Macht. Es sind der Staat, die Wirtschaft, die Medien, die Unterhaltung. Das ist das schreckliche Problem.

Martina Kociánová: Deshalb sagen Sie auch, dass Amerika übernommen worden ist.

Petr Pelz: Ich weiß, es sieht schrecklich aus, aber das erklärt alles.

Martina Kociánová:  Werfen wir einen Blick auf die verarmte Ukraine im Moment. Sagen Sie mir, mit der militärischen Geheimdienst-Erfahrung, die Sie haben, und auch mit der diplomatischen Erfahrung: Wie sollte die Tschechische Republik den Krieg in der Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt angehen? Und was sollte sie jetzt tun?

Petr Pelz: Das geht jetzt natürlich zu weit. Die Interessen der Tschechischen Republik sind ein bisschen eine Teilmenge der Interessen Europas und der ganzen Welt im Allgemeinen und natürlich der Ukraine. Und wieder sitzen wir in der Falle, dass wir „die Ukraine“ sagen. Welche also? Östlich? Zentral? Westlich? Ich habe es gleich zu Beginn gesagt: Wir brauchen Frieden. Es sollte keinen Krieg geben. Und um Himmels willen, angesichts der schrecklichen Verluste und der schrecklichen Zerstörung in der Ukraine sollten die Kämpfe sofort aufhören, in dieser Sekunde.

Die Frage ist, wer das will. Ob Russland es will, ist die Frage. Ob die USA es wollen, ist die Frage. Was Europa will, so habe ich leider das Gefühl, ist völlig irrelevant, völlig irrelevant, denn Europa verhält sich so, dass es sich überhaupt nicht um Europa schert. Ich wiederhole also vor allem, dass die Kämpfe sofort eingestellt werden müssen.

Martina Kociánová: Wer hat Ihrer Meinung nach ein Interesse daran, dass der Krieg in der Ukraine weitergeht? Das unermessliche Leid der Menschen und die wirtschaftliche Zerstörung weiter zu verlängern?

Petr Pelz: Das Problem ist nur, dass ich das Gefühl habe, dass diese Kräfte, von denen ich in den USA spreche (die drei Oligarchien), abgesehen von ihrem eigenen Wunsch, etwas im Sinne einer größtmöglichen Schwächung Russlands zu tun, mir ziemlich inkompetent erscheinen, denn eigentlich schwächt das, was jetzt geschieht, Europa. Die USA werden bisher nicht geschwächt, aber Europa wird sehr schnell geschwächt, indem es sich an Sanktionen beteiligt, die im Grunde genommen sinnlos sind.

Martina Kociánová: Die Frage, die ich Ihnen zu Beginn gestellt habe, lautete: Wer hat Ihrer Meinung nach ein Interesse daran, dass dieser Krieg weitergeht?

Petr Pelz: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwer zu beantworten, denn es gibt Theorien, dass die Amerikaner… Ich denke, es muss eine große Meinungsverschiedenheit geben. Es gibt eine Gruppe von Leuten um Präsident Biden: Juke Sullivan, Victoria Nuland und so weiter, die am enthusiastischsten sind. Ich denke, dass einige Signale und Anzeichen aber darauf hindeuten, dass es sogar in den Geheimdienstkreisen eine wachsende Opposition gegen sie gibt. Seymour Hersh deutet in seinem Material darüber, wer Nordstream 2 in die Luft gejagt hat, darauf hin, dass die Geheimdienste von dieser Tat ziemlich frustriert waren, und auch das aktuelle Leck, das gerade aktuell ist, wird im Grunde genommen so erklärt. Die Frage, wer ein Interesse an dieser Sache hat, ist also einfach und logisch, aber die Antwort ist komplex.

Und der Standpunkt Russlands? Das ist schwer zu sagen. Ich denke, unter bestimmten Umständen würden auch sie sofort verhandeln. Ein weiteres Indiz dafür, dass das alles nicht passiert wäre, ist die Tatsache, dass Russland, als es letztes Jahr am 23. oder 24. Februar in die Ukraine einmarschierte, ziemlich schnell nach Westen vordrang und dass dann Ende März und Ende April Vereinbarungen getroffen wurden oder weit fortgeschrittene Gespräche stattfanden, die von den Weißrussen und den Türken vermittelt wurden und in der Türkei stattfanden. Und beide Präsidenten, sowohl Putin als auch Selenskyj, haben gesagt, dass sie bereit wären, ein Abkommen zu unterzeichnen. Aber Verhandlungen wurden von den Amerikanern und von den Briten grundsätzlich abgelehnt. Ich meine, Boris Johnson kam angereist und sagte Selenskyj, dass sie und der Westen sofort aufhören würden, ihn zu unterstützen, falls er unterzeichnete. Und seither hat das mehrere hunderttausend Menschen das Leben gekostet.

Zum Original in tschechischer Sprache: Script und Radioprogramm.

Zu Petr Pelz: Geboren 1953. Von 1996 bis 2001 Direktor des militärischen Geheimdienstes der Tschechischen Republik. Von 2002 bis 2006 in New York als Sonder-Sicherheitsberater des tschechischen Botschafters bei den Vereinten Nationen. In den Jahren 2006-2007 Berater des CZ-Verteidigungsministers in Fragen des Geheimdienstes und der Außenbeziehungen. Von 2010 bis 2013 CZ-Botschafter in Afghanistan.