Zwei Verfahren, die zur Zeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig sind, wobei eines dieser Verfahren inzwischen beschieden wurde, sollte eine besondere Aufmerksamkeit bei der Bevölkerung haben. Bei beiden Verfahren geht es um die grundsätzlichen Rechte der Bürger, die immer mehr, ob bewußt oder aus Gedankenlosigkeit, in Frage gestellt werden.
Da ist einmal die Klage des Chaos-Computerclubs und weiterer Klagebeteiligten gegen die Bundesregierung gegen den Einsatz von Trojanern. Wenn Sicherheitslücken in EDV-Anwendungen bekannt geworden sind, werden diese von der Bundesregierung nicht veröffentlicht, sondern dazu benutzt, sogenannte Staatstrojaner auf private Rechner heimlich zu installieren, um mit Hilfe dieser Programme sämtliche Aktivitäten der Nutzer dieser angegriffenen Computer auszuspähen. Dabei wird gesagt, daß dies einem guten Zweck diene, weil man ausschließlich gegen Kriminelle und Terroristen vorgehen wolle, um größeren Schaden durch diesen Personenkreis zu verhindern.
Und dann ist ein zweites Verfahren anhängig, bei dem heute die erste mündliche Verhandlung erfolgte. Bei diesem Verfahren ging es um eine Äußerung der Bundeskanzlerin, die sich zum Zeitpunkt dieser Äußerung in Süd Afrika bei einer Auslandsreise befand. Nachdem Thomas Kemmerich (FDP) überraschend im Thüringer Landtag mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsident gewählt wurde, erklärte die Kanzlerin Frau Merkel, daß dieser Vorgang ein schlechter Tag für die Demokratie gewesen sei. Das Ergebnis der Wahl müsse «rückgängig gemacht werden», sagte Frau Merkel, zumindest die CDU dürfe sich nicht an dieser Regierung beteiligen. Wie bekannt ist, trat Kemmerich zwei Tage später und dem Druck der politischen Mainstreamakteure zurück. Was dann folgte, war im Grunde genommen der eigentliche Niedergang der Demokratie.
Es handelt sich offensichtlich um zwei sehr verschiedene Vorgänge, die nun vom Bundesverfassungsgericht behandelt werden müssen. Und doch besteht zwischen beiden Vorgängen eine enge Verbindung, nämlich die Glaubwürdigkeit der Politik im allgemeinen und das Vertrauen in die agierenden Politiker, allen voran der Kanzlerin Frau Merkel, für die Bürger unseres Landes, im besonderen.
Dabei ist es aus Sicht des Verfassers dieser Zeilen absolut unerheblich, wie letztlich das Bundesverfassungsgericht entschieden hat und in einem Fall noch entscheiden wird. Vertrauen kann nicht nur nach juristischen Maßstäben gewonnen, sondern auch zerstört werden. Vielmehr gibt es eine Kultur des Miteinanders in einer Gesellschaft, die Voraussetzung dafür ist, daß die Mitglieder dieser Gesellschaft, sprich Bürger, Willens und in der Lage sind, sich darauf verlassen zu können, daß es Mindestanforderungen für möglicherweise notwendiges staatliches Eingreifen in die Privatsphäre der Bürger gibt. Wenn diese Mindestanforderungen nicht mehr Konsens in einer Gesellschaft sind, entsteht ein Klima der Angst, der Unsicherheit bis, hin zur Wut und zum Zorn gegen alles, was dann als bedrohlich angesehen wird. Dabei ist es dann auch völlig gleichgültig, ob dieses Gefühl begründet oder unbegründet ist.
Sehen wir uns doch das Thema der sogenannten Staatstrojaner an. Grundsätzlich ist keiner – also auch der Staat, vertreten durch Politiker und Beamte – berechtigt, sich rechtwidrig zu verhalten. Das bedeutet, daß auch der Staat nicht einfach Recht brechen kann, wenn er meint, damit anderen Schaden verhindern zu können.
Artikel 20 des Grundgesetzes lautet:
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und an die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Es ist wahrscheinlich strittig, ob der Staat verpflichtet ist, die Bürger darüber aufzuklären, wenn bekannt geworden ist, daß Sicherheitslücken in EDV-Anwendungen bestehen, die von Unbefugten zum Schaden der Nutzer genutzt werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch darauf hingewiesen, daß es durchaus eine gewisse Fürsorgepflicht des Staates gibt, seine Bürger vor erheblichen Schaden zu schützen. Wenn der Staat jetzt – wie bei den Staatstrojanern praktiziert – genau wie Kriminelle Sicherheitslücken in der EDV nutzt, um Bürger, Firmen und andere Institutionen ohne deren Wissen auszuspähen und ohne daß dazu eine gerichtliche Entscheidung im Einzelfall vorliegt, dann sorgt er selbst dafür, daß die Bürger den Staat als Bedrohung ansehen müssen. Die Bürger können sich vor diesem Staat nicht mehr sicher sein, daß sich dieser über das Recht hinwegsetzt und letztlich genauso wie Kriminelle tätig wird.
Das Argument, daß dieses Vorgehen hier im Rahmen einer Güterabwägung notwendig sei, weil man damit kriminelle Taten verhindere, ist grundsätzlich unzulässig. Bereits bei dem Ankauf von CD´s mit Anschriften von möglichen Steuerbetrügern hat sich der Staat auf einem rutschigen Weg befunden. Das Verhalten dieses Staates führt immer mehr dazu, daß man sich auch als Bürger fragen kann, ob die Gesetze wirklich für alle gelten oder, ob mittlerweile eine freie Interpretation möglich ist, ob ein Gesetz gilt oder nicht.
Und ähnlich verhält es sich auch mit dem Verhalten der Bundeskanzlerin Merkel, wenn sie sich über eine erfolgte Wahl, die ihr nicht paßt äußert und sich dann sogar noch darin versteigt zu fordern, daß diese Wahl rückgängig gemacht werden muß. Wahlen sind die einzigen Möglichkeiten, bei denen der sogenannte Souverän wirklich über Mehrheiten und Personen entscheiden kann. Was soll man davon halten, wenn sogar eine Kanzlerin meint, sie habe das Recht über Wahlen zu entscheiden und sogar fordert, eine ihr nicht genehme Wahl wieder rückgängig zu machen? Hat sie sich überlegt, was ein solches Verhalten bei vielen Bürgern auslöst?
Für beide vorgenannten Themen ist der Artikel 20 des Grundgesetzes eine gute Grundlage, um einmal näher zu betrachten, was der Gesetzgeber formuliert hat, damit es in Deutschland nie wieder zu einer Diktatur kommt. Wenn solche Entwicklungen eintreten und nicht mit den legalen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu verhindern sind, steht dem Bürger sogar das Recht des Widerstandes zu.
Es wäre gut, wenn Frau Merkel und alle, die ihr in den letzten Jahren immer nach dem Mund geredet haben, einmal prüfen, was sie mit einem solchen Verhalten langfristig in Deutschland auslösen.
In Thüringen kann man jetzt sehr gut beobachten, wie man Demokratie aushebelt. Die dort agierenden Parteien, voran die Linken, aber auch mit Beteiligung der CDU und der linksorientierten Partei Bündnis 90 – die Grünen, führen den Bürgern vor, daß es bei dem Demokratieabbau noch Steigerungsmöglichkeiten gibt.
Wenn dann gefragt wird, warum das gesellschaftliche Klima in Deutschland immer rauer wird, dann braucht man nicht mehr die „Wissenschaft“, um hier eine Antwort zu finden.