Die Gedenkfeier für die Opfer der Verbrechen der Nationalsozialisten sollte eigentlich keine Veranstaltung sein, bei der Parteipolitik betrieben wird. Aber genau das ist bei der diesjährigen Gedenkfeier in Buchenwals geschehen. Altbundespräsident Wulff hielt es für angebracht, um sich mit der aktuellen Parteipolitik zu befassen. Er meinte einen Bogen von der Zeit des Nationalsozialismus bis zur aktuellen Gegenwart zu ziehen. Es dürfte keine Überraschung gewesen sein, dass er dann natürlich auf die AfD zu sprechen kam, die er in eine Verbindung zu den Nationalsozialisten brachte. Man sollte doch von einem ehemaligen Bundespräsidenten erwarten, dass er nicht leichtfertig mit Vergleichen der Nazizeit und der Gegenwart argumentiert. Er unterstellte den 10 Millionen Wählern der AfD, dass sie mit dazu beitragen, dass sich Verbrechen, wie sie in Buchenwald sichtbar wurden, aktuell wieder möglich werden könnten. Im Interesse der Opfer und deren Angehörigen sollten jedoch politisches Instrumentalisieren unterbleiben. Wenn Wulff in seiner Rede feststellte: „Aufgrund der Verrohung und der Radikalisierung und eines weltweiten Rechtsrucks kann ich mir- und das macht mich beklommen – deutlicher vorstellen, wie es damals geschehen konnte“, dann muss man darauf hinweisen, dass genau ein solches Geschehen auch heute, wenn man die Ereignisse in der Welt betrachtet, real erfolgt, allerdings nicht von den politischen Kräften, die der Altbundespräsident Wulff in seinen Ausführungen adressierte. Betrachten wir die Steinwüste in Palästina, in der die Leute, die nichts mit dem Verbrechen der HAMAS zu tun hatten, obdachlos umherirren und von den Israelis weiter von einem Teil der Wüste in den anderen Teil der Wüste – von einer urbanen Umgebung kann man nach den Zerstörungen durch die Israelis nicht mehr sprechen – getrieben werden, dann zeigt dies, dass alles auch heute wieder möglich ist. Und wie brutal ist das völkerrechtswidrige Ermorden von Hilfskräften, die eigentlich unter den Schutz der Genfer Konventionen stehen, wobei Israel diese Konventionen als einer der wenigen zivilisierten Staaten nicht anerkennt.
Dass eine junge Frau die Gedenkfeier in Buchenwald nutzte, um auf das Leiden ihres Volkes aufmerksam zu machen, ist genauso fehlplatziert bei einer Gedenkfeier für die Naziopfer, wie ein politisches Instrumentaleren durch einen Staatsvertreter.
Es ist ohnehin aktuell mehr als fraglich, ob die täglichen Hinweise auf die Verbrechen der Nazis, die vor achtzig Jahren stattfanden, in dieser Häufung noch sinnvoll sind. Eine solche Feststellung ist keinesfalls aus der Luft gegriffen, sondern das Ergebnis der Beobachtung der täglichen Rundfunksendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wenn man immer wieder einem Volk meint einreden zu müssen, wie erbärmlich seine Vorfahren gegenüber einem anderen Volk auftraten, so sollte man sich auch nicht wundern, wenn solche Gedenkfeiern zu einer Alltagsroutine reduziert werden, die nur dann noch von der Bevölkerung wahrgenommen werden, wenn besondere Vorfälle einen Informationswert darstellen. Ob man damit dem würdigen Gedenken der Opfer gerecht wird, könnte kritisch hinterfragt werden.
Wichtiger wäre es, aktiv auf die heutigen Verbrechen hinzuweisen, die nach wie vor in aller Brutalität gegenüber unschuldigen Menschen erfolgen. Wenn ein Staat wie Israel, sich nicht an Mindeststandards des Völkerrechts hält, dann zerstört dies das Weltklima erheblich.
Das kritische Hinterfragen einer Erinnerungskultur darf nicht zu einem parteipolitischen Kampf verkommen, weil es dafür viel zu wichtig ist und alles vermieden werden muss, dass Opfer nachträglich durch eine politische Instrumentalisierung beleidigt werden. Ein erster Schritt wäre es, wenn auf Gedenkfeiern wie in Buchenwald, parteipolitische Auseinandersetzungen unterbleiben.