Welches merkwürdige Rechtsverständnis Bundeskanzler Scholz hat, obwohl er als Jurist doch die für seine Tätigkeit einschlägigen Gesetze kennen sollte, zeigte eine Meldung in den Nachrichten des Deutschlandfunks.
Nachdem es immer wieder offene Fragen im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada gibt, äußerte sich Bundeskanzler dahingehend, dass das Ratifizierungsverfahren seiner Meinung nach schneller durchgeführt werden sollte. Eigentlich hatten sich alle Länder, die Mitglied der EU sind, auf den Vertragstext geeinigt. Im Nachhinein erfolgte jedoch noch eine Änderung des Vertragstextes dahingehend, dass bei Streitfragen aus dem Vertrag nicht ein ordentliches Gericht, sondern ein sogenanntes Schiedsgericht installiert werden soll. Hier bestehen erhebliche Bedenken, weil der ordentliche Gerichtsweg damit mehr oder weniger ausgehebelt wird.
Bei dem Vertragstext gehen die Mitgliedsstaaten der EU davon aus, dass es sich um ein Verfahren handelt, das nicht allein von der EU-Bürokratie in Brüssel allein abgeschlossen werden kann. Vielmehr ist die Zustimmung (Ratifizierung) aller nationalen Staaten notwendig. Auch das Verfassungsgericht in Karlsruhe hat in einem Verfahren 2 BvR 1368/16, bei dem es um einen anderen Sachverhalt ging und bei dem die Klage der Antragsteller zurückgewiesen wurde, u. a. zur Begründung der Zurückweisung ausgeführt, dass durch die Notwendigkeit der Zustimmung aller Mitgliedsstaaten der EU und keinesfalls die Bürokratie in Brüssel den Vertrag allein unterschreiben kann, sichergestellt sei, dass jeder einzelne Staat darüber entscheiden könne, ob er dem Freihandelsabkommen mit Kanada zustimmt oder nicht.
Jetzt kam der geniale Jurist, der Bundeskanzler Scholz, auf die Idee, man solle hier eine Beschleunigung des Verfahrens einführen, indem die Bürokraten in Brüssel den Vertrag allein unterschreiben und auf die Zustimmung der einzelnen souveränen Staaten in Europa verzichtet werden könne. Er begründete dies mit dem Hinweis, dass auch in den USA die Bundesregierung alle Verträge allein unterzeichnet und die einzelnen Bundesstaaten der USA dabei keine Funktion haben.
Hat unserer Bundeskanzler vielleicht noch gar nicht wahrgenommen, dass die EU in Brüssel keinesfalls ein eigenständiger Staat ist und dass die Mitgliedsländer keine Filialen dieser zentralistisch orientierten Bürokratie sind? Meint er, dass er sich über die Souveränität seines eigenen Volkes – dem Kanzler gehört Deutschland nicht, sondern er hat die Interessen seines Volkes wahrzunehmen – hinwegsetzen zu können und ohne das Volk zu befragen, einfach wie ein Diktator selbst entscheiden will?
Ein Kanzler, der solche Vorschläge mit diesen Begründungen macht und dabei die Bundesstaaten der USA mit der gesamten Bundesrepublik Deutschland gleichsetzt, scheint davon auszugehen, dass Deutschland der 51. Bundesstaat der USA zu sein scheint. Hier muss man dem Bundeskanzler widersprechen und besonders wachsam sein, dass er nicht ohne dass es bemerkt wird, solche Entscheidungen einfach trifft.