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Die betriebliche Pflegeversicherung – Angebote und Perspektiven

Das Vorstandsmitglied des Verbandes der Privaten Krankenversicherungen e.V., Dr. Timm Gennett stellte heute in einer Online-Pressekonferenz das Modell zur betrieblichen Pflegeversicherung der privaten Pflegeversicherungen vor. Das Thema der Pflegeversicherung beschäftigt nicht nur Politiker und Versicherungsexperten, es ist auch ein sehr mit Angst belastetes Thema einer großen Zahl der Bürger. Die hohen Zuzahlungen im Pflegefall können an die Vermögenssubstanz der Betroffenen gehen.
Als Norbert Blüm, der in der Zeit von 1982 bis 1989 Arbeits- und Sozialminister war, seinerzeit behauptete, die Rente sei sicher, führte er auch die Pflegezusatzversicherung ein, die ursprünglich Teil der allgemeinen gesetzlichen Krankenversorgung gewesen ist. Die Behauptung, dass die Renten sicher seien, hatte insoweit eine gewisse Richtigkeit, als dass mit Hilfe von Steuermitteln die gesetzliche Rente bis heute noch existiert, wenngleich in den letzten 30 Jahren erhebliche Abstriche für die Bürger erfolgten. Die beitragsfreie Unfallversicherung für die Arbeitnehmer wurde ersatzlos gestrichen, das Sterbegeld entfiel, so dass die Bestattungskosten vollständig selbst von den Angehörigen der Betroffenen übernommen werden mussten, durch Veränderung der Bemessungsgrundlagen für die Rente erfolgten erhebliche Reduzierungen der Rentenleistungen und schließlich sollte das Risiko eines Pflegefalls, nicht mehr von den Krankenkassen abgesichert werden. Norbert Blüm führte seinerzeit die Pflegeversicherung mit dem Versprechen ein, dass damit verhindert werde, dass die Pflegebedürftigen selbst und deren Angehörige, soweit sie zu den Pflegekosten von den Sozialämtern herangezogen wurden, von der Sozialhilfe abhängig werden. Natürlich war auch den damaligen Sozialpolitiken bekannt, dass dieses Versprechen den Wert von Versprechungen der Politiker hat und somit mehr oder weniger eine Irreführung der Bürger war. Das Grundprinzip der Pflegeversicherung war bereits zum Zeitpunkt ihrer Einführung keine Vollversicherung, sondern eine der Höhe nach begrenzte Teilfinanzierung der Pflegekosten. Etwas zynisch betrachtet, konnte man auch sagen, dass der Staat sich zulasten der Bürger von Sozialhilfeleistungen entlastet, weil nunmehr nicht mehr die Sozialämter im Rahmen des damalig geltenden Bundessozialhilfegesetz (BSHG) alleinige Kostenträger für den Pflegefall waren. Ein Großteil der Kosten musste nun die Betroffenen und ggf. deren unterhaltspflichtigen Angehörigen tragen.
Wie die Politiker das auch heute machen, wurde diese Pflegeversicherung als gesellschaftspolitische Großtat den Bürgern verkauft, die die Folgen in der Regel erst Jahre später, nämlich dann, wenn der Pflegefall eingetreten war, feststellten, wie die Politiker ihnen nur die halbe Wahrheit erzählt hatten. Zu diesem Zeitpunkt war der besagte Norbert Blüm auch nicht mehr im Amt und heute kann sich kaum noch ein Bürger an die Entwicklung der Pflegeversicherung erinnern.

Es kam so wie es immer geschieht, die Leistungszusagen für die Bürger wurden von den Politikern laufend erhöht, gleichzeitig stiegen aber auch die Kosten der Pflege sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. Die Schwere zwischen Leistungsverpflichtungen der Pflegeversicherung und der Differenz zu den tatsächlichen Kosten der Pflege stieg bis auf den heutigen Tag ständig, so dass die finanzielle Belastung für die Betroffenen trotz Pflegeversicherung immer größer wurde. Anderseits sanken die Renten in den letzten Jahren für einen Großteil der Bürger, weil die Erwerbstätigkeit seit der sogenannten Wende in Deutschland immer schwieriger wurde und die Zahl der sogenannten prekären Arbeitsverhältnisse drastisch anstiegen. Damit sank nicht nur das Erwerbseinkommen, sondern auch die Altersrente. Und damit stieg auch die subjektive Belastung der Betroffenen im Pflegefall.

Nun haben die Politiker immer schnelle Lösungen, insbesondere dann, wenn sie die Kosten nicht selbst tragen, sondern auf die Bürger abschieben können. Es wird gesagt, jeder soll sich für das Risiko des Alters, und da gehört auch der Pflegefall dazu, der manchmal auch mitten im Erwerbsleben eintreten kann, zusätzlich versichern. Das ist leichter gesagt als getan, wenn viele Erwerbstätige eben nicht am Monatsende überlegen müssen, was sie mit dem nicht verbrauchten Geld für gute Anlagen tätigen können. Anderseits weiß man und hier wiesen die Vertreter der privaten Krankenversicherung hin, dass aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland im Jahr 2030 sehr viel mehr Menschen Leistungsempfänger sein werden, als für diese Leistungen selbst durch Arbeitseinkommen beitragen zu können.

Die privaten Pflegeversicherungen, die ja Teil des Krankenkassensystems sind, haben hier ein Modell entwickelt, das wahrscheinlich nicht alle Probleme für alle Bevölkerungskreise aber doch für einen großen Teil, der jetzt im Erwerbsleben befindlichen Arbeitnehmer lösen könnte. Es handelt sich um einen Ausbau der betrieblichen Pflegeversicherung, also dem gleichen Prinzip wie die bereits in vielen Betrieben existierende betriebliche Alterszusatzversorgung. Die Geschäftsführerin der IG BCE IIG (Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Industrie) Andrea Pichottka stellte das Projekt „Care Flex Chemie“ vor, während Wiltrud Pekarek ein Modell der Hallischen Pflegekasse mit dem Namen „Feel Cara“ erläuterte. Die Grundidee ist, dass im Rahmen von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen Gruppenversicherungsverträge für die Mitarbeiter von Unternehmen abgeschlossen werden, die Bestandteil der Tarifvereinbarungen für die Mitarbeiter sind. Der monatliche Beitrag für diese Pflegeversicherung liegt bei ca. 35,–€ und beinhaltet eine sehr umfangreiche finanzielle Absicherung bei Eintritt eines Pflegefalls, da es sich um eine Ergänzung zu den bereits vorhandenen gesetzlichen Leistungen der gesetzlichen Pflegekassen handelt. Im Bereich der Chemie seien mittlerweile bereits 450.000 solcher Versicherungsverträge im Rahmen der Gruppenverträge abgeschlossen. Auch leitende Mitarbeiter, die nicht dem Tarifvertrag unterliegen haben die Möglichkeit, sich freiwillig über diese Gruppenversicherung mit abzusichern. Der Vorteil liegt darin, dass die monatliche Belastung für die Mitarbeiter aufgrund der günstigen Konditionen, die immer bei Gruppenverträgen bestehen, überschaubar bleibt. Hinzu kommt, dass bei einer Übernahme dieser Beiträge durch den Arbeitgeber für den Mitarbeiter die finanzielle Belastung scheinbar nicht sofort bemerkt wird. Natürlich handelt es sich um Bestandteile, die in irgendeiner Weise die Auszahlung des regulären Gehalts mindert.

Das Modell der Hallischen Versicherung ist insofern besonders interessant, als hier in einer Zusammenarbeit mit einer Pflegekasse und einem Dienstleister, es handelt sich um eine anerkannte Hilfsorganisation, von stationären und ambulanten Pflegeleistungen die Versicherten so betreut werden, dass ihnen alle Formalitäten (Organisation der Pflege, Antragstellungen etc.) abgenommen werden.
Bedauerlich ist, dass zur Zeit der Gesetzgeber, der zwar immer von notwendiger Eigenverantwortung der Bürger redet, die Beiträge für die Pflegezusatzversicherung steuerlich nicht entlastend berücksichtigt, also der Arbeitsnehmer die Beiträge voll versteuern muss. Hier besteht eine wichtige Aufgabe auch der Versicherer, auf eine steuerliche Entlastung für die Beitragszahler der Pflegezusatzversicherung beim Gesetzgeber hinzuwirken.

Der Vorteil für eine betriebliche Pflegezusatzversicherung, wie sie jetzt vom Verband der privaten Pflegeversicherungen vorgestellt wurde, liegt darin, dass die Arbeitnehmer von dem Risiko durch einen Pflegefall finanziell in eine Notlage zu geraten erheblich entlastet werden. Die Unternehmen, die sich an einer solchen betrieblichen Zusatzpflegeversicherung beteiligen können dies als zusätzliche Bindung ihrer Mitarbeiter an ihre Betriebe ansehen, so dass sie dadurch auch gute und vor allen Dingen zufriedene Mitarbeiter gewinnen können.
Natürlich werden viele Arbeitnehmer nicht von einer solchen guten Regelung profitieren können, weil sie entweder selbst zu der Gruppe der Niedrigverdiener gehören oder bei Firmen beschäftigt sind, die sich zusätzliche Sozialleistungen nicht leisten können oder sich diese nicht leisten wollen.

Auf jeden Fall zeigen die Modelle, dass es sich lohnt, über Möglichkeiten der zusätzlichen Absicherung von Arbeitnehmern für den Pflegefall nachzudenken. Hier wäre auch ein Betätigungsfeld für Politiker, nicht nur über die Not der Menschen zu reden, sondern durch steuerliche Regelungen die Bereitschaft der Arbeitnehmer, sich verstärkt auch um eine Pflegezusatzversicherung zu bemühen, zu fördern.