In Erfurt wird in diesem Jahr der Tag der deutschen Einheit gefeiert. Der Ministerpräsident des Freistaates Thüringen, Bodo Ramelow, erklärte, man könne auch in der gegenwärtigen schwierigen Situation, in der sich Deutschland befindet, feiern. Natürlich kann man das, es fragt sich aber, was denn am 3.10. überhaupt gefeiert wird.
Tatsache ist, dass der eigentliche Impuls für eine Vereinigung der damaligen beiden Teile Deutschlands, nämlich die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik, am 9. November 1990 ausging. Die Grenzen zwischen den beiden Staaten fielen, so dass die Voraussetzungen gegeben waren, dass eine echte Wiedervereinigung möglich war.
Wenn man also eine Vereinigung beider ehemaligen in Ost und West getrennten deutschen Staaten in ein einiges Deutschland feiern wollte, dann hätte es der 9. November sein müssen.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sieht vor, dass mit einer möglichen Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten eine neue Verfassung für das dann einheitliche Deutschland geschaffen werden muss. Das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Grundgesetz, das eben keine Verfassung war, weil weder die Bundesrepublik Deutschland noch die DDR vollumfänglich als souveräne Staaten angesehen werden konnten, sollte – so die Intention des Grundgesetzes – seine Wirksamkeit beenden, weil es dann eine gemeinsame Verfassung des einigen Deutschlands geben sollte. Das deutsche Volk sollte in einer Volksabstimmung darüber entscheiden.
Wenn die Entwicklung von den damals handelnden Politikern so vollzogen worden wäre, hätte es auch keinen sogenannten Beitritt der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in die Bundesrepublik Deutschlands geben können und auch nicht dürfen, sondern beide deutschen Teile hätten sich zu einem neuen Staatsgebilde mit einer neuen Staatsverfassung verschmelzen müssen. Damit hätte es auch keine alten und neuen Bundesländer geben können, weil die sich als alte Bundesländer heute nennenden Bundesländer gar keine alten Bundesländer mehr hätten sein können, weil es dann nur neue Bundesländer hätte geben dürfen.
Das Volk wurde aber – wie so oft – nicht gefragt. Sehr schnell bemächtigten sich die westlich orientierten Politiker der friedlichen Revolution der Bürger, die teilweise mit einem erheblichen persönlichen Risiko sich den damaligen Machthabern der DDR entgegengesetzt hatten und lenkten die Entwicklung der Auflösung der DDR in eine völlig andere Richtung, nämlich in eine nachträgliche Einvernahme des Westens der Staatsgebiete der ehemaligen DDR in die in die Nato gefesselte Bundesrepublik. Plötzlich ging es auch nicht mehr darum, eine neue Verfassung für das neue geeinigte Deutschland zu entwickeln und dem Volk zur Abstimmung vorzulegen, wie es das Grundgesetz vorgesehen hatte.
Der Verfasser dieser Zeilen erlebte am 9.11.1989 in seiner damaligen Funktion als Hauptabteilungsleiter des Deutschen Roten Kreuzes, Landesverband Berlin (West) den Fall der Mauer und führte bereits in der Nacht vom 9.11.1989 erste Gespräche mit den Kameraden des Deutschen Roten Kreuzes an der Oberbaumbrücke in Berlin. Die damalige Freude der Bevölkerung der ehemaligen DDR, über den dann doch unerwarteten Fall der Mauer, wich sehr bald einer bedrückenden Entwicklung, weil man feststellen musste, dass auf einmal ganz andere Leute entschieden, wie die Entwicklung in Deutschland weitergehen sollte. Viele der ehemaligen DDR-Bürger verloren regelrecht über Nacht ihre beruflichen Existenzen.
Aus der ursprünglichen Freude, dass sich nunmehr ein neues gemeinsames Deutschland gründen sollte, wurde bald ein politisches Hickhack, das schließlich damit endete, dass keine neue Verfassung entstand und die ehemalige DDR sich der Bundesrepublik anschließen musste. Das Volk wurde dabei nicht gefragt, eine Volksabstimmung fand nicht statt.
Plötzlich wurde von neuen Bundesländern gesprochen, die sich dem westlichen Rechts- und Sozialsystem einzuordnen hatten. Ganze Industriezweige wurden durch die Treuhand abgewickelt, was im Klartext bedeutete, dass die verwertbaren Teile an westliche Investoren veräußert wurden und viele Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze verloren.
Aber auch die Bevölkerung der früheren Bundesrepublik konnten sehr schnell feststellen, dass sich umfassende Veränderungen in ihrer Arbeitswelt einstellten. Auf einmal stieg die Zahl der sogenannten prekären Arbeitsverhältnisse exorbitant. Befristete Arbeitsverträge, die bis zur sogenannten Wende nur unter bestimmten Voraussetzungen statthaft waren, wurden zur Norm. Das Tarifsystem im öffentlichen Dienst wurde dramatisch zum Nachteil der Mitarbeiter verändert.
Von einem neuen souveränen Staat kann man ebenfalls nur bedingt sprechen. Die Russen, Engländer und Franzosen zogen sich aus Deutschland als Besatzungsmacht zurück. Die Amerikaner sind nach wie vor in Deutschland vorhanden und betreiben in Ramstein die größte militärische Basis Europas, ohne dass Deutschland einen Einfluss darauf hätte, was von dieser Basis aus geschieht. Jüngstes Beispiel sind die amerikanischen Festlegungen der militärischen Unterstützung im Krieg mit der Ukraine, die von Ramstein – also von deutschem Boden ohne Einfluss der Deutschen – erfolgten.
Deutschland wurde schnell in die EU eingegliedert und musste die eigenständige Währung aufgeben. Auch hier ist die Bevölkerung Deutschlands nie befragt worden.
Der Ministerpräsident der ehemaligen SED-Partei, die sich jetzt die Linke nennt, von Thüringen, Bodo Ramelow, wurde nie vom Volk als Ministerpräsident gewählt. Er wurde mit Hilfe der CDU von den linken Landtagsabgeordneten gewählt, weil die vorausgegangen Wahl des Ministerpräsidenten Kemmerich auf Veranlassung der damaligen Kanzlerin rückgängig gemacht werden musste. Eine Neuwahl des Parlaments sollte unverzüglich erfolgen, ist jedoch bis heute nicht erfolgt. Insofern steht dieser Ministerpräsident auch dafür, wie Demokratie praktiziert wird, wenn bestimmte politische Kreise ihre Macht behalten wollen.
Insofern ist der sogenannte Tag der deutschen Einheit eine höchst fragwürdige Angelegenheit und wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von allen Bürgern geteilt.
Auch dies spricht für viele Bürger nicht dafür, dass der 3.10.2022 jetzt der sogenannte Tag der deutschen Einheit sein soll.