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Gewalt auf der Straße – welchen Anteil haben die Politiker daran?

Es wird immer mehr darüber geredet, warum einerseits immer mehr Gewaltausbrüche auf der Straße zu beobachten sind, wobei diese im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen der Regierung gesehen werden. Und andererseits immer mehr der Eindruck entsteht, daß die Demonstranten, die sich gegen die Corona-Maßnahmen wenden, keine Einsicht zeigen und ihre Haltung auch nicht ändern.

Der Deutschlandfunk interviewte zu dieser Problematik den Konfliktforscher Ulrich Wagner. Wagner brachte zum Ausdruck, daß der Eindruck, daß hier große Gruppen gegen die Corona-Maßnahmen Widerstand leisten eine falsche Wahrnehmung sei. Im Vergleich zu der großen Zahl der Bürger, die sich haben gegen Corona impfen lassen, sei die Zahl der „Corona-Leugner“ sehr klein, allerdings sehr lautstark.
Bereits aus dieser Einschätzung ist zu erkennen, von welchem Ansatz der Konfliktforscher ausgeht. Mit Formulierungen, wie „Corona-Leugner“ und eine kleine Minderheit, die sich nicht durch Sachargumente beeinflussen lassen, wird als Ausgangslage unterstellt, daß ein Widerstand gegen Corona-Maßnahmen im Allgemeinen und dem Impfen im Besonderen, eine nicht zu akzeptierende Handlungsweise einer kleinen Gruppe von Bürgern sei.
Ulrich Wagner wies jedoch auf der anderen Seite auch darauf hin, daß viele der Bürger, die jetzt auf die Straße gehen würden, Angst haben, weil nicht erkennbar sei, wie sich die Pandemie entwickeln wird und vor allen Dingen, wann mit einem Ende der Pandemie gerechnet werden kann. Die Angst entsteht durch eine Ungewissheit der Zukunft und durch mangelnde oder falsche Informationen. Auf den Hinweis des DLF-Journalisten, daß es doch eine Unmenge von Informationen gebe, wies Wagner darauf hin, daß dies nicht zutreffe. Es werde zwar viel über Corona gesprochen, allerdings seien dies keine validen Informationen. Die eigentlichen Fragen, die die Bürger beschäftigt, werden gar nicht beantwortet. Es wäre wichtig, die Bürger nicht mit Phrasen abzuspeisen, die keinen Informationswert haben.
Interessant war die Feststellung, die im Interview deutlich herausgearbeitet wurde, daß es in der Gesellschaft keine Gräben, sondern Mauern gebe. Die sich gegenüberstehenden Bevölkerungsgruppen würden gar nicht mehr miteinander sprechen und die Probleme wirklich diskutieren. Jede Seite geht nur von der Richtigkeit der eigenen Anschauung aus, so daß ein echter Diskurs nicht mehr stattfindet. Die sogenannten sozialen Medien würden dies noch verstärken.

Es ist auch nicht überraschend, wenn Wagner meinte, man müsse die Restriktionen gegenüber den Bürgern, die sich nicht impfen lassen wollen, einfach verstärken. Je mehr Druck aufgebaut würde, umso eher würde mancher der Impfgegner sich impfen lassen, weil er sonst Sorge hätte, seine Arbeit zu verlieren oder sonstige Nachteile in der Gesellschaft zu haben.
Eine solche Sichtweise wird dem eigentlichen Problem in keiner Weise gerecht. Es erstaunt sehr, wenn ein Konfliktforscher glaubt, durch mehr Druck auf eine protestierende Gruppe könne man diese reglementieren? Wenn Menschen nur aus Angst handeln, dann sind sie auf Dauer immer unberechenbar, weil irgendwann ein Ausbruch aus, der nicht akzeptierten Situation erfolgen wird. Was bei einer solchen Betrachtungsweise bereits ein fehlerhafter Ansatz ist, ist die Unterstellung, daß die protestierende Gruppe grundsätzlich eine falsche Auffassung vertritt und man sie diese nur von ihrer falschen Meinung abbringen müsse.

Kann es nicht sein, daß der Protest der Bürger eine viel tiefere Ursache als nur die Angst vor dem Impfen hat und die Corona-Problematik nur der letzte Auslöser einer bereits seit Jahren aufgebauten Frustration bestimmter Kreise der Bürgerschaft ist? Oft sind Ausbrüche von Konflikten nur die sichtbaren Zeichen einer tiefen Unzufriedenheit, einer Wut, weil man sich unterdrückt fühlt oder eine Angstreaktion, weil man glaubt, mit der Zukunft nicht mehr zurechtkommen zu können.
Wenn Ulrich Wagner davon spricht, daß es ja nur eine kleine Minderheit sei, die jetzt auf der Straße sichtbar wird, dann mag er insoweit Recht haben, als die Zahl derjenigen, die gesellschaftlich „gut funktionieren“ schon immer größer war, als kritisch denkende Menschen, die sich nicht nur mit Phrasen der Politiker, die über Rundfunk und Fernsehen sowie vielen Zeitungen verbreitet werden, zufriedengeben. Sie durchschauen die Widersprüche der angeblichen sachlichen Informationen und haben ein Gedächtnis, um zu merken, daß viele Politiker manchmal bereits wöchentlich ihre Meinung ändern und so tun, als wenn sie die absolute Wahrheit verkünden. Ein kleines, aber sehr aktuelles Beispiel, dafür ist die jetzt über den Rundfunk verbreitete Auffassung von Robert Habeck, der noch unmittelbar vor seinem Eintritt in die Regierung den Bürgern weißmachen wollte, die Energiewende sei kein unlösbares Problem. Man könne schnell Klimaneutralität herstellen und die Atomkraftwerke können alle vom Netz genommen werden. Auf die Kohle könne nicht früh genug verzichtet werden und die Energiewende schaffe neue Arbeitsplätze. In den heutigen Nachrichten hört der erstaunte und verunsicherte Bürger von diesem Politiker, daß die Klimaneutralität in Deutschland nun doch nicht so schnell erreicht werden kann. Es würden zwar neue Arbeitsplätze entstehen, aber insbesondere in den Kohlregionen fallen die Arbeitsplätze weg, so daß es zu Ärger bei den Bürgern kommen könne. Um ausreichend klimaneutralen Strom in Deutschland zu erhalten, müsse man jedes Jahr eintausend bis tausendfünfhundert Windanlagen bauen, wohlwissend, daß eine solche Zielsetzung völlig unrealistisch ist. Sieht Herr Habeck jetzt bereits die negativen Folgen seiner eigenen Politik, wobei er jetzt als Regierungsmitglied selbst das Ergebnis seiner eigenen Politik den Bürgern gegenüber vertreten muß? Und hier hätten wir gern die Frage an den Konfliktforscher gestellt, welche Möglichkeiten eines Aggressionsausbruchs er bei den Bürgern sieht, die jetzt feststellen müssen, daß man sie über Jahre offensichtlich belogen hat?

Hat man bei den jetzt auftretenden teilweise sehr aggressiven Demonstrationen einmal untersucht, ob diese demonstrierenden Bürger nicht viel mehr meinen als die Verweigerung einer Impfung?
Was glauben die Politiker – und hier kann man alle Parteien mit Ausnahme der AfD benennen – wenn sie seit Jahren den Bürgern ihr eigenes Weltbild einhämmern und verlangen, daß die Bürger dieses für sich übernehmen? Wenn man den Bürgern vorschreiben will, wie sie zu sprechen und zu schreiben haben und alle, die dies nicht mitmachen, als die ewig Gestrigen hinstellt und sie gesellschaftlich und beruflich regelrecht ausgrenzt, braucht man sich doch nicht zu wundern, wenn diese Bürger den Politikern auch nicht mehr glauben, wenn sie – was ja auch einmal vorkommen soll – auf wichtige Probleme, die gelöst werden müssen, hinweisen?

Den Bürgern wird zur Zeit der Eindruck vermittelt, man müsse das Land renovieren. Was man tatsächlich macht, ist, daß man die Grundmauern einreißt, ohne zu sagen, in welchem Haus die Bürger zukünftig wohnen können.

Es ist zu befürchten, daß der Druck der Straße nicht durch Polizei und Gerichte beseitigt werden kann. Die Politiker müssen wieder erkennen, daß nicht sie es sind, die den Bürgern vorzuschreiben haben, wie diese leben sollen, sondern die Interessen der Bürger in Politik umzusetzen haben. Um noch einmal auf die Corona-Problematiken zurückzukommen: Was haben die Politiker bisher unternommen, die zentralen Ansteckungsorte von Corona zu untersuchen und den Bürgern zu benennen? Warum hat man das Gesundheitssystem so kommerzialisiert, daß es jetzt nur noch auf wirtschaftliche Effizienz getrimmt ist, so daß eine Triage-Diskussion überhaupt notwendig geworden ist? Das sind genau die Punkte, die Bürger wütend und aggressiv machen.

Man darf gespannt sein, ob diese Politiker noch in der Lage sind, ihren Blickwinkel insoweit zu ändern, als sie wieder darauf achten, was im Interesse ihrer eigenen Mitbürger notwendig ist. Wichtig ist, daß wieder ein echter Diskurs möglich ist. Dazu brauchen wir wahrscheinlich aber Politiker, die in der Lage sind, die Probleme zu erkennen und den Willen haben, diese auch zu lösen.

 

 

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Das Staatsverständnis eines Frank Ulrich Montgomery

Immer wieder wird – insbesondere von Politikern – die Verrohung der verbalen Auseinandersetzung in der Gesellschaft beklagt. Dabei ist man dann auch sehr schnell dabei darauf hinzuweisen, daß hier besonders bei den Rechtsradikalen ein solches Verhalten zu beobachten sei. Natürlich wird mit rechtsradial gleich der Finger auf die AfD gezeigt. Wie das immer mit dem Steinewerfen aus dem Glashaus ist, übersieht man sehr leicht, daß man wohl selbst auch nicht ganz unbeteiligt an der sprachlichen Aufrüstung ist und oft selbst den Anlaß dafür gibt, daß andere aggressiv reagieren und dabei immer häufiger eine mitteleuropäische Umgangsform mißachtet wird. Nun kann man eine Brutalität einer sprachlichen Ausdrucksform nicht immer sofort allein aus einer Ansammlung von Wörtern erkennen. Die Verwendung entsprechender Verbalinjurien ist in der Regel auch mehr eine Erscheinungsform einer etwas mehr rustikalen Bevölkerungsschicht. Dabei ist in vielen Fällen eine solche Ausdrucksweise auch gar nicht gemeinschaftszerstörend, weil diese Ausdrucksform auf der Basis eines gewissen Commonsense verläuft und somit von den Betroffenen auch nicht als Mißachtung oder mangelnde Wertschätzung im Sinne einer bürgerlichen Betrachtungsweise angesehen wird.

Was als Sprengsatz und als dauerhafte Spaltung der Gesellschaft massiv ins Gewicht fällt, sind die vermeintlich wohlgesetzten Formulierungen, die auf den ersten Anschein sehr logisch und durchdacht klingen, in Wahrheit aber mehr als eine brutale Mißachtung anderer Personen oder unseres Rechtssystems sind.
Hier hat der Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery gezeigt, wie auch ein Spitzenfunktionär, bei dem man grundsätzlich davon ausgehen darf, daß seine Gehirnfähigkeit intakt ist, so daß man dessen Worte ernst nehmen könnte, sich in seiner Ausdrucksweise dermaßen vergreifen kann, daß die einzige Konsequenz der unverzügliche Rücktritt von allen öffentlichen Ämtern die einzige vertretbare Maßnahme sein müßte. In diesem Zusammenhang ist es auch bemerkenswert, wie unsensibel die Politiker sich verhalten haben, die bei verbalen mißliebigen Äußerungen vermeintlicher rechter Politiker sofort massive Kritik äußern und entsprechende Konsequenzen fordern. Erst nachdem der Bund Deutscher Verfassungsrichter darauf hinwies, daß die Äußerungen des Prof. Dr. Ulrich Montgomery absolut unangemessen und ungehörig und anmaßend seien, griffen die öffentlichen Medien die verbale Entgleisung des Weltärztepräsidenten auf. Wahrscheinlich hätte die Öffentlichkeit sonst gar nichts von diesem ungeheuerlichen Vorfall gehört. Von relevanten Politikern haben wir noch keine Kommentare zu den Äußerungen von Montgomery gehört. Auch der doch viel von Respekt gegenüber den Bürgern redende Olaf Scholz schweigt.

In einem Interview mit der Welt hatte Montgomery erklärt: „Ich stoße mich daran, daß kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen, 2G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten. Da maßt sich ein Gericht an, etwas, das sich wissenschaftliche und politische Gremien mühsam abgerungen haben, mit Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zu verwerfen. Da habe ich große Probleme. Es gibt Situationen, in denen es richtig ist, die Freiheitsrechte hinter das Recht auf körperliche Gesundheit – nicht nur der eigenen Person, sondern Aller – einzureihen. Und eine solche Situation haben wir“.
Da wir – wie bereits ausgeführt – davon ausgehen müssen, daß Montgomery das meinte, was er sagte, zeigt dies eine Mißachtung unserer Verfassung, die davon ausgeht, daß nicht die Politiker, sondern das Parlament und natürlich auch nicht die Wissenschaft, was auch immer darunter zu verstehen ist, selbst Recht setzen und entscheiden können. Alle Entscheidungen, von wem auch immer sie getroffen wurden, können einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Und natürlich ist das Gericht – zumindest nach der Festlegung unseres Grundgesetzes frei und unabhängig und der Politik gegenüber nicht weisungsgebunden.
Aber auch die Formulierung „Richterlein“ zeigt eine menschenverachtende Einstellung der Personen gegenüber, die eine gesetzlich vorgesehene Aufgabe zu erfüllen haben. Worin unterscheidet sich eine solche Meinung von der Handlung bestimmter extremer Gruppen auf dem linken und rechten Rand unserer Gesellschaft, wenn diese von den miesen Bullen reden und damit die Polizeibeamten meinen? Ist der Schritt dann nicht mehr weit, sich einem Polizeibeamten körperlich entgegenzustellen und diesen ggf. auch mit körperlicher Gewalt daran zu hindern, seinem gesetzlichen Auftrag nachzukommen? Es kommt eben nicht nur darauf an, was man selbst vielleicht gemeint haben könnte, sondern wie das, was man sagt, bei anderen Betroffenen ankommt. Ein Weltärztepräsident muß sich eben vorher überlegen, was er herausposaunt.

Man könnte zur Tagesordnung übergehen und den ganzen Vorgang auch als eine Handlung eines Mannes abtun, der vielleicht einmal sehr seriös und fundiert in seinen Ansichten war, jetzt aber vielleicht nicht mehr ganz das übersieht, was er tut. Aber erstens wäre dies ein zu billiges Argument, weil die Folgen seiner unverantwortlichen Einlassung in der Öffentlichkeit bereits erheblich negative Auswirkungen verursacht haben. Aber andererseits ist dies auch kein Einzelfall, wie leichtfertig und verantwortungslos mit der Sprache umgegangen wird.
Wenn der Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ausgerechnet während der Weihnachtsfeiertage darüber schwadroniert, daß die Lebensmittelpreise zu niedrig seien und die Bürger die Lebensmittel mehr wertschätzen sollten und dies mit deren Wertschätzung zum Auto gleichsetzt, dann merkt dieser Politiker gar nicht, wie er einen Keil in die Gesellschaft treibt. Die Mehrzahl der Bürger haben keinen Einfluß auf die Herkunft ihrer Lebensmittel, da sie sich aufgrund ihres niedrigen Einkommens daran orientieren müssen, wo sie preiswert einkaufen können. Und ein großer Teil dieser Bürger würde gern dafür sorgen, daß es den Tieren besser geht. Die Bürger werden aber, wenn sie sich näher mit dieser Thematik befassen könnten, feststellen, daß die Entscheidungen teilweise gar nicht mehr in Deutschland, sondern in Brüssel getroffen werden und dort zurzeit überwiegend Großbetriebe in der Landwirtschaft gefördert werden. Für den Bürger bleibt bei der Bemerkung eines Cem Özdemir nur hängen, daß dieser seine Mitbürger als unverantwortliche Gesellen betrachtet, weil diese noch nicht verstanden haben, daß sie nicht so preiswert einkaufen dürfen. Es bleibt Unverständnis und vielleicht sogar Wut und Ärger über die unbedarften Äußerungen eines Politikers, der offensichtlich gar nicht weiß, wie es vielen seiner Mitbürger tatsächlich wirtschaftlich geht.

Es ist höchste Zeit, daß sich die Politiker und die Verbandsfunktionäre wieder daran erinnern sollten, daß man erst nachdenkt, bevor man Unfug in die Welt trällert.

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Rechte Gewalt: Zahl der Betroffenen steigt – Trifft dies wirklich zu?

Die Sächsische Zeitung in Dresden titelte in einem Beitrag: „Rechte Gewalt: Zahl der Betroffenen steigt“.

Diese Meldung, so man es bei der Wahrnehmung der Titelzeile belassen würde, ist erst einmal beängstigend und erschreckend. Auf der anderen Seite werden sowohl die Leser von seriösen Zeitungen, zu denen der Verfasser dieser Zeilen auch die Sächsische Zeitung zählt sowie die Hörer des Rundfunks immer wieder auch mit Zahlen konfrontiert, die oft voneinander erheblich abweichen. Bei einer näheren Recherche stellt man dann fest, daß es sehr darauf ankommt, welche Quelle einer Statistik herangezogen werden und wie die einzelnen Straftaten in diesen Statistiken jeweils gewichtet wurden. Die Notwendigkeit der Gewichtung einzelner Zahlengruppen ist ein übliches Handwerkzeug, daß nicht nur dem Statistiker, sondern auch in Gesellschaftswissenschaften eine wesentliche Rolle spielt. Es ist eben ein Unterschied, ob man ein Gewaltverbrechen vorfindet oder ob es sich um eine Beleidigung handelt. Beide Straftaten ergeben zwei Straftaten, die aber miteinander in ihrer Qualität erhebliche unterschiedliche Folgen haben.

Die Meldung in der SZ mit der doch sehr eindeutigen Titelzeile vermittelte den Leser, daß eine dramatische Entwicklung der rechten Gewalt in Sachsen stattgefunden hat und daß hier doch ein erhebliches Problem vorliegt. Um kein Mißverständnis entstehen zu lassen, jede Gewalttat, auch wenn sie politisch motiviert ist, ist inakzeptabel. Es ist aber auch inakzeptabel, wenn durch mangelhafte Recherche falsche Eindrücke bei Lesern einer Zeitung entstehen können.

Wie die Recherche von Bornemann-Aktuell ergab, handelte es sich bei den Zahlen in dem SZ-Artikel um Zahlen, die ausschließlich von dem Verein „Opferberatung“ dem Journalisten der SZ  mitgeteilt wurden. Die Zahl der Betroffenen, die einem rechtsradikal motivierten Anschlag ausgesetzt waren seien von 226 im Jahr 2019 auf 304 im Jahr 2020 gestiegen. Hier fehlt bereits der erste Hinweis, ob es sich um Zahlen aus dem Jahr 2020 oder bereits um Zahlen des Jahres 2021 handelt.

Eine eigene Recherche ergab, daß laut Polizeistatistik, die über das Statistische Landesamt Sachsen einsehbar ist, Zahlen nur bis 2020 veröffentlicht sind. Hier werden bei den politisch motivierten Gewalttaten für Sachsen insgesamt 366 Fälle für das Jahr 2020 und 208 Fälle für das Jahr 2019 angegeben. Es wird jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen, daß der Anteil der vorgenannten Gewalttaten zu 63 % dem linken Spektrum zuzuordnen sind, wobei darunter auch zwei versuchte Tötungsdelikte gezählt wurden.

Anders sieht es bei den verbalen Haßäußerungen im politischen Bereich aus, da hier 2019  608 Fälle und im Jahr 2020  578 Fälle registriert wurden. Besonders gravierend sind hier die ausfallenden Äußerungen im Internet. Für diesen Bereich fallen nach Angaben der Polizeistatistik 70 % auf das rechte politische Spektrum.

Insofern sind die Zahlen, die von der Sächsischen Zeitung in ihrem Artikel veröffentlicht worden, nicht sehr aussagefähig und geben im Zusammenhang mit der doch etwas aufgebauschten Titelzeile eine falschen Eindruck über die Gesamtsituation der politisch motivierten Straftaten.

Um es noch einmal deutlich zu sagen, Haß-Kommentare, aber erst recht auch tatsächliche körperliche Gewalt, sind nicht hinnehmbar und müssen aktiv bekämpft werden. Dies muß aber umfassend erfolgen und darf nicht nur nach Kriterien, „das sind die Guten, weltoffenen und diversen Personen, während die anderen die Bösen, nicht über den Tellerrand sehenden nationalistisch verbohrten rechten Schläger“ vorgenommen werden.

Als Fazit bleibt zur Zeit die traurige Erkenntnis, daß auch im linken politischen Bereich ein erhebliches Gewaltpotential besteht.

Qualitätsjournalismus sollte von Betroffenenverbänden nicht unreflektiert Zahlen und Meinungen übernehmen, sondern sollte diese auch einer kritischen Reflektion im Hinblick auf eine Prüfung der Validität der Angaben, unterziehen. Es wäre ja durchaus statthaft gewesen, die Titelseite zu präzisieren, indem man geschrieben hätte: „Opferberatung sagt: Rechte Gewalt: Zahl der Betroffenen steigt“. Dann wäre dem Leser sofort klar, daß dies eine Meinung des Opferverbandes ist.

Zusätzlich hätte man aber im Artikel auf die tatsächlichen schnell nachprüfbaren Zahlen zurückgreifen und diese ebenfalls den geneigten Leser der Zeitung zur Kenntnis geben müssen.

Viel wichtiger erscheint uns aber Gründe zu beschreiben, warum sich Gewalt immer mehr in unserem Land zeigt. Vielleicht zeigt sich hier auch eine tiefe Betroffenheit von Bürgern, die sich von den Politikern nicht mehr vertreten fühlen und die in nicht verantwortungsvoller Weise meinen, dann selbst „aktiv“ werden zu müssen. Kann es sein, daß viele Bürger oft den Eindruck haben, sie müssen sich dafür entschuldigen, daß sie in diesem Land geboren sind und auch den Wunsch haben, daß ihre Belange genauso wie die Belange von Minderheiten von den Politikern wahr- und ernstgenommen werden?

Sachverhalte ungeschminkt aufzuzeigen und zu verbreiten ist wichtig. Es ist aber auch wichtig, hier nicht Zahlen zu benutzen, um bei den Bürgern eine Situation darzustellen, wie sie gar nicht existiert, weil Ziele verfolgt werden, die mit dem beschriebenen Problem gar nichts zu tun haben.

Hier solche Hintergründe aufzuzeigen, muß man von einem Qualitätsjournalismus erwarten.