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Mißbrauchsvorwürfe gegen die katholische Kirche und was daraus folgt

Die Vorstellung eines Gutachtens über eine Untersuchung zum Umgang von Verantwortungsträgern mit Fällen sexualisierter Gewalt im Erzbistum München und Freising der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) erschütterte nicht nur die Öffentlichkeit, sondern wahrscheinlich auch viele katholische Christen, die bisher fest zu ihrer Kirche gehalten haben.

Eine besondere Brisanz erhält das tausendseitige Gutachten der Kanzlei durch die Feststellung, daß auch konkrete Vorwürfe eines Fehlverhaltens durch den damaligen Erzbischof Ratzinger und dem zwischenzeitlich emeritierten Papst Benedikt XVI. bestehen. In dem Gutachten wird Papst Benedikt XVI. zumindest in einem Fall konkret vorgeworfen, die Unwahrheit gesagt zu haben, Über einen Mißbrauchsfall wurde in einer Konferenz der Bischöfe ausführlich gesprochen. Der damalige Erzbischof Ratzinger habe nach dem vorliegenden Protokoll an dieser Sitzung teilgenommen, behauptete aber gegenüber der untersuchenden Kanzlei WSW, dass ihm dieser Mißbrauchsfall nicht bekannt gewesen sei. Insgesamt soll der damalige Erzbischof in vier Fällen nicht angemessen reagiert haben.

Übrigens wie war das denn bei unserem Bundeskanzler? Hatte dieser nicht behauptet, von Gesprächen mit der Warburg-Bank in Hamburg nichts gewußt zu haben? Und ist auch bei Olaf Scholz der Zweifel erlaubt, daß er die Wahrheit sagt? Hat man sich da genau so echauffiert, wie bei dem Erzbischof Ratzinger?

In der heutigen Sendung „Tag für Tag“ im Deutschlandfunk wurde über dieses Gutachten ebenfalls ausführlich gesprochen.

Das jetzt vorgelegte Gutachten, das einen Zeitraum von 1945 bis in die jüngste Vergangenheit beleuchtet, ist einerseits keine Überraschung, weil die dort beschriebenen Mißbrauchs-Tatbestände durch Priester und sonstige kirchlichen Mitarbeiter bereits bekannt waren. Allerdings wurde die besondere Brisanz einmal durch die akribische Zusammenfassung aller Mißbräuche gegen Kinder besonders deutlich. Zusätzlich kam der ungeheuerliche Vorwurf, daß die Mißbrauchsproblematik bis in die höchste Spitze der katholischen Kirche reicht. So wird in der öffentlichen Diskussion durch Formulierungen wie „die Verantwortlichen der Kirche wurden zum Handlanger der Täter“ eine besondere Verwerflichkeit der Leitungsebene der Kirche gezielt in die Köpfe der durch diese Nachrichten erschrockenen und verunsicherten Bürger geradezu verfestigt.

Was besonders – und dies ist nicht unbegründet – negativ hervorgehoben wird, ist die offensichtliche mangelnde Übernahme von Verantwortung durch viele involvierte Würdenträger der katholischen Kirche.

Natürlich kann man es verstehen, wenn insbesondere Betroffene des Mißbrauchs von einer Unmenschlichkeit des Systems reden, wie es in der Sendung des Deutschlandfunks von einer Gesprächsteilnehmerin, die selbst Mißbrauchs-Opfer war, geschehen ist. Es kann auch durchaus nachvollzogen werden, wenn aus heutiger Sicht die untersuchende Kanzlei zum Schluß kommt, daß ein Systemversagen mit einer der Ursachen für die schrecklichen und in keiner Weise zu verniedlichenden Taten der Priester und der kirchlichen Mitarbeiter gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen gewesen sein mögen.

Es wird jedoch verkannt, daß aus heutiger Sicht viele Dinge anders zu beurteilen sind, als man dies früher getan hat. Einerseits sollte eine klare Unterscheidung zwischen allgemeiner körperlicher Gewalt und sexuellen Straftaten vorgenommen werden. Die Auffassungen über sogenannte pädagogische Maßnahmen, was zum Beispiel die körperlichen Bestrafungen betraf, haben sich in den letzten Jahrzehnten glücklicherweise erheblich verändert. Sie waren jedoch keinesfalls nur auf bestimmte gesellschaftliche Bereiche beschränkt, wenngleich es auch spezifische massive Exzesse gegeben hat, die insbesondere in geschlossenen pädagogischen Einrichtungen erfolgten. Man kann diese aber heute nicht nur auf bestimmte Bereiche, wie zum Beispiel auf Einrichtungen der Kirche, beziehen, weil sie gesellschaftlich durchgängig praktiziert wurden. Demgegenüber sind die sexuellen Übergriffe zu betrachten, die auch aus damaliger Sicht inakzeptabel waren und staatsanwaltliche Ermittlungen zur Folge hatten und auch heute zurecht haben.

Natürlich bleibt der berechtigte Vorwurf, daß die leitenden Geistlichen der Kirche offensichtlich eine nicht ausgeprägte Wahrnehmung gegenüber den Nöten der Opfer der sexuellen Handlungen gehabt haben. Dies ist der Unterschied bei der Betrachtungsweise der Taten in den unterschiedlichen Zeitabläufen. Auch damals hätte man von den Geistlichen Empathie und Verständnis gegenüber den Kindern und Jugendlichen erwarten müssen. Wahrscheinlich liegt hier tatsächlich auch ein systemisches Problem vor, nämlich bei der Auswahl und Ausbildung der Priester.

Ein Aspekt wird jedoch bei der gesamten Erörterung dieses schlimmen Themas ausgeblendet. Gemeint ist die sogenannte Reformpädagogik, die besonders von der Partei „Die Grünen“ in den 80ern Jahren propagiert wurde. Diese Partei wollte seinerzeit sogar unter Führung ihres damaligen Vorsitzenden Josef (Joschka) Fischer die Pädophilie straflos stellen. In einem Bericht der TAZ vom 7.8.2015 wird darüber berichtet, daß es Kindereinrichtungen in Berlin Kreuzberg gab, wo Kinder sexuell mißbraucht wurden und überwiegend aus dem alternativen grünen Milieu kamen. Auch die schlimmen Vorkommnisse in der Odenwaldschule sind eine Folge von Fehlentwicklungen der Reformpädagogik gewesen. Wenn man jetzt den Stab über die katholische Kirche brechen will, dann gehört es auch zur Ehrlichkeit, diese Entwicklungen mit im Auge zu haben.

Wichtig wäre jetzt ein Neuanfang in der Kirche. Es muß verhindert werden, daß eine der letzten moralischen Instanz sich regelrecht selbst demontiert. Damit würden die Kräfte gewinnen, denen unabhängige moralische Instanzen ohnehin ein Dorn im Auge sind. Es gibt inzwischen in Deutschland keine Organisation, die für sich in Anspruch nehmen kann, Leitorientierung für Bürger zu sein. Damit wurde es den Parteien möglich, ihre Ideologien, die zu einer regelrechten Aushebelung der bürgerlichen Gesellschaft führen, ohne großen Widerstand durchzusetzen. Es ist kein Zufall, daß bereits vor 30 Jahren die FDP die Forderung erhob, eine klare Trennung zwischen Kirche und Staat durchzusetzen. Zurzeit wird in der links-gelben (eigentlich müßte man sagen roten) Koalition offen darüber diskutiert, die sogenannten Privilegien der Kirchen abzuschaffen. Natürlich ist insbesondere die katholische Kirche das Hindernis für diese Bestrebungen. Im Gegensatz zur evangelischen Kirche, die schon allein von ihrer Organisationsstruktur sehr eng mit staatlichen Strukturen kompatibel ist, handelt es sich der katholischen Kirche um eine weltumspannende internationale Organisation, die nicht zuletzt durch den Vatikan auch völkerrechtlich eine eigenständige Rechtsgrundlage hat. Insofern scheint es einigen politischen Akteuren sehr entgegenzukommen, wenn sich diese Kirche selbst zerstören würde.

Der Neuanfang der Kirche sollte insofern erfolgen, als die beteiligten Geistlichen, denen schuldhaftes Verhalten nachgewiesen wird, unverzüglich zurücktreten müssen. Die Opfer müßten schnellstens zumindest eine materielle Entschädigung erhalten, aber vor allen Dingen muß von der Kirche zum Ausdruck gebracht werden, daß man die seelischen Nöte dieser Betroffenen ernst nimmt und bemüht ist, den Schaden soweit es überhaupt möglich ist, wieder gutzumachen..

Die Gefahr, die durch das absolut nicht zu akzeptierende Verhalten von Bischöfen jetzt Kräfte stark werden, die aus der Kirche das machen, was die Politik will, nämlich eine willfährige Organisation, die politischen Zielvorstellungen der linken Ideologen unterstützt und gegen diese Politik keinen Widerstand leistet, ist die größte Gefahr für die Kirche. Wenn sie sich dieser Entwicklung nicht erfolgreich entgegenstellt, verliert sie nicht nur ihre Glaubwürdigkeit, die bereits sehr ramponiert ist, sondern verliert ihre Eigenständigkeit um eine moralische und ethische Leitlinie nicht nur für ihre Mitglieder, sondern für alle Bürger zu sein, bzw. wieder zu werden.