Eine meiner Enkelin fragte mich: „Wie stehst Du zur Wehrpflicht?“ Sie, 14 Jahre alt und Schülerin eines Gymnasiums, erzählte mir, dass man neulich in der Klasse über dieses Thema gesprochen habe. Sie sei überrascht gewesen, dass vieler ihrer Mitschüler zum Ausdruck brachten, dass sie sich auf keinen Fall für die Bundeswehr verpflichten werden. Sie selbst sei darüber überrascht gewesen, denn eigentlich, so meinte sie, müsse sich doch ein Land verteidigen können, wenn es angegriffen werde.
Nun erinnerte ich mich an meine eigene Schulzeit, die allerdings einige Jahrzehnte zurückliegt Damals waren noch die Kriegsschäden des zweiten Weltkrieges in der Stadt, ich wohnte in West-Berlin, überall im Stadtgebiet sichtbar. In Berlin gab es keine Wehrpflicht, ich kannte aber viele Mitschüler, die sich freiwillig bei der Bundeswehr meldeten, wobei sie damals dann aus Berlin nach Westdeutschland gehen mussten. Damals, so kann ich mich noch erinnern, schien es für viele junge Männer eine Pflicht zu sein, für das eigene Vaterland einzutreten, wobei es schon ein Unterschied war, ob sich ein junger Mann, der seinen Wohnsitz in Berlin hatte und somit nicht der Wehrpflicht unterlag, freiwillig bei der Bundeswehr verpflichtete oder in Westdeutschland wohnten und aufgrund der Wehrpflicht entweder zur Bundeswehr gehen musste oder als Kriegsdienstverweigerer Zivildienst leistete. Keiner hätte eine abfällige Bemerkung gemacht, wenn ein junger Mensch erklärte, er wolle für sein Vaterland eintreten und würde im Verteidigungsfall sogar mit seinem Leben dafür eintreten.
Wie kommt es dazu, dass heute viele jungen Männer zum Ausdruck bringen, sie wollen auf keinen Fall einer Wehrpflicht nachkommen? Dies in einer Zeit, wo der Bevölkerung ständig von den Politikern eingeredet wird, wie gefährlich die Russen, wobei man dies mit dem Namen Putin pars pro toto „die Russen“ verbindet. Jetzt, so erklärt man den Bürgern, ginge es darum, dass Deutschland endlich wieder kriegstüchtig werde. Anderseits nehmen die Bürger und damit auch die jungen Männer, die jetzt wieder im Fokus einer Wehrpflicht stehen, wahr, dass die gleichen Politiker, die jetzt von Kriegstüchtigkeit reden, die Bundeswehr regelrecht kaputtgespart haben und immer davon redeten, dass wir diese nicht brauchen. Politiker wie Freiherr Guttenberg, Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer haben unter einer Merkel/Scholz Regierung dafür gesorgt, dass die Bundeswehr mehr zu einer kampfunfähigen Truppe verkommen ist.
Aber diese Äußerlichkeiten waren und sind überhaupt nicht dafür entscheidend, ob heute ein junger Mensch ohne staatlichen Druck bereit wäre, sich für sein Land einzusetzen und dies auch in der Form eines Wehrdienstes wahrzunehmen. Um sich für eine Sache intensiv einzusetzen und Soldat sein, heißt immerhin auch sein eigenes Leben einzusetzen. Dazu muss es eine Motivation geben. Sofern es sich um denkende Menschen handelt, kann man diese nicht mit allgemeinen Schlagworten zu irgendetwas, erst recht nicht, zum Einsatz des eigenen Lebens motivieren. Betrachten wir den Text des Gelöbnisses der Bundeswehr, Der Text des feierlichen Gelöbnisses der Bundeswehr lautet: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“. Für Soldaten auf Zeit wird dieser Satz mit „Ich schwöre“ eingeleitet, während Freiwillige („Freiwillig Wehrdienstleistende“) „Ich gelobe“ sagen. Sie bekräftigen damit ihre Verpflichtung auf das Grundgesetz und die Verteidigung der Werte des Landes. Der Verfasser dieser Zeilen hatte einmal ebenfalls ein solches Gelöbnis abgegeben und war zutiefst davon überzeugt, seinem Vaterland gegenüber – nicht einer Partei – in einer solchen Verpflichtung zu stehen. Betrachten wir den Text des Versprechens gegenüber dem Vaterland etwas genauer, dann wird ein Versprechen gegenüber „der Bundesrepublik Deutschland und dem deutschen Volk gegenüber abgegeben. Und hier liegt wahrscheinlich der Hauptgrund, warum junge Gymnasialschüler ins Grübeln kommen. Jahrelang haben die Politiker den Bürgern in Deutschland eingeredet, dass der Begriff des Vaterlandes fragwürdig sei. Der Begriff des „deutschen Volkes“ wird sogar schon in eine Ecke der Menschenverachtung gedrängt, weil es das deutsche Volk ja gar nicht mehr geben soll. Deutschland ist von seiner Bevölkerung her mittlerweile ein Land, das zu einem großen Teil aus Menschen besteht, die aus anderen Kulturkreisen eingewandert sind. Auch das wäre grundsätzlich kein besonderes Problem. Auch die USA und andere Staaten haben eine Vielzahl von Bürgern aus anderen Ländern aufgenommen. Allerdings – bleiben wir bei den USA – verlangen diese Länder, dass sich die Einwanderer voll und ganz mit ihrem neuen Heimatland identifizieren und dies dann auch als das ihre betrachten.
Für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft, gleichgültig, ob es sich um einen privaten Freundeskreis, eine Familie oder einem Volk im großen Rahmen handelt, wird es immer wichtig sein, einen gemeinsamen Nenner zu finden, der für alle wichtig ist. Nur dann kann überhaupt ein Gruppengefühl entstehen und die Bereitschaft, sich untereinander zu helfen und sich gegen Angriff Dritter zu schützen. Diesen gemeinsamen Nenner scheint es aktuell nicht mehr in Deutschland zu geben.
Aber ein Weiteres ist wichtig: Kampf gegen andere findet nur dann statt, wenn man sich angegriffen fühlt. Und hier scheint es so zu sein, dass eine solche Bedrohung von vielen jungen Menschen gar nicht gesehen wird, weil sie faktisch auch gar nicht besteht. Hört man heute die vielen Reden von Politikern, die über Presse und sonstige Medien verbreitet werden, dann wird wieder ein Feindbild aufgebaut. Aktuell wird ein solches Feindbild von den Russen gezeichnet. Manchmal könnte man meinen, die Russen marschieren in den nächsten Wochen in Berlin ein. Nur wenn die Bevölkerung von einem wirklichen Feind überzeug ist, wird sie vielleicht bereit sein, gegen diesen zu kämpfen. Wie sehr von den Politikern Feindbilder aufgebaut und abgebaut werden, hängt offensichtlich von der jeweiligen politischen Zielsetzung ab, die von den Politikern verfolgt werden und die nichts mit den Interessen der Völker zu tun haben. Die Bürger aller Länder wollen im Grunde genommen Frieden, deshalb müssen sie erst „motiviert“ werden für oder gegen etwas zu kämpfen. Wenn die Politiker, die ständig von einer Kriegstüchtigkeit reden, selbst in den Krieg ziehen müssten, dann würden sie wahrscheinlich etwas zurückhaltender mit ihren Worten sein.
Die Mechanismen, wie Politiker Kriege anzetteln können, haben junge Menschen, insbesondere wenn sie noch die Chance hatten, auf Lehrer zu stoßen, die ihnen das Denken beibrachten und sie nicht im Sinne eines politischen Mainstreams einseitig indoktrinierten, durchschaut. Dann kommt es eben zu der Überzeugung, dass man einem Kriegsgeschrei von Politikern nicht folgen sollte und einen Wehrdienst aktiv verweigert.
Man kann nur von jedem Jugendlichen Respekt haben, der sich verweigert, ein Krieg mitzumachen, bei dem es nur darum geht, sich gegenseitig umzubringen. Für die Gesellschaft kann man besser eintreten, wenn man sich freiwillig an Projekten beteiligt, die keine Menschen töten, sondern ihnen bei Notlagen hilft. Das Ziel muss lauten: Wir treten für eine friedliche Welt ein. Dazu gehören keine Waffen.