Die Diskussion in Pirna, die aktuell über das Aufziehen der sogenannten Regenbogenfahne geführt wird, ist ein gutes Beispiel in welcher nicht mehr akzeptablen Form die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen in unserem Landes stattfinden.
Der Oberbürgermeister der Stadt Pirna, Tim Lochner, hat im Gegensatz zu seinem Vorgänger entschieden, dass die sogenannte Regenbogenfahne in diesem Jahr anlässlich des sogenannten „Christopher-Street-Day“, der eigentlich mit Deutschland überhaupt nichts zu tun hat, nicht vor dem Rathaus in Pirna gehisst werden darf. Der Anlass des „Christopher-Street-Day“ ist ein Vorkommnis in New York in den USA. Aufgrund einer polizeilichen Aktion fühlten sich die in der Schwulenbar „Stonewall Inn“ anwesenden Besucher politisch und rassistisch angegriffen, so dass in den USA eine Protestbewegung gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben entstand.
Es steht jedem frei, sich an Dinge zu erinnern, die für ihn wichtig sind. Es ist aber auch anderseits nicht akzeptabel, wenn Minderheiten ihre Befindlichkeiten zum Problem einer gesamten Gesellschaft machen, so dass der Eindruck entsteht, als wenn das jeweilige Minderheitenproblem das aktuelle Problem der gegenwärtigen Gesellschaft sei. Es besteht in Deutschland wahrscheinlich allgemeiner Konsens, dass jede Person seiner eigenen sexuellen Befindlichkeit nachgehen kann. Allerdings besteht bisher auch in der Mehrheitsgesellschaft die Auffassung, dass sie sich nicht jedes Minderheitsproblem zum Maßstab ihres Handels machen lassen will.
Es ist durchaus korrekt, wenn der Oberbürgermeister der Stadt Pirna, das Hissen der sogenannten Regenbogenfahne vor einem öffentlichen Gebäude ablehnt. Was bei der gesamten Diskussion völlig unterbelichtet bleibt, ist die Tatsache, dass ein großer Teil der Bevölkerung, wahrscheinlich ist dies sogar die Mehrheit, die Auffassung vertritt, dass es unangemessen ist, wenn eine Minderheit ihre eigene Befindlichkeit der Mehrheit als Norm andient. Mit dem Hissen einer privaten Fahne im öffentlichen Bereich werden die staatlichen Hoheitszeichen, zu denen die offiziellen Fahnen gehören, auf eine Ebene der privaten Beliebigkeit gestellt, so dass die staatlichen Hoheitszeichen damit entwertet werden. Wenn jetzt eine evangelische Kirchengemeinde meint, die sogenannte Regenbogenfahne auf ihren Kirchturm hängen zu müssen, so ist das ihre private Auffassung. Allerdings sollte sich auch eine Kirchengemeinde fragen, ob sie mit einer solchen Handlung nicht viele ihrer eigenen Mitglieder verärgert, weil sich auch auch Kirchenmitglieder fragen könnten, warum die Kirche hier einen Keil zwischen die Gemeindemitglieder treibt. Sollen zukünftig alle Gruppen, die sich nicht angemessen berücksichtigt fühlen, ihre eigenen Vereinsfahnen auf öffentlichen Gebäuden hissen, so dass neben den Schwulen und Lesben auch die Befürworter von Bordellen, der Obdachlosen und der Antialkoholiker Anspruch erheben, sich in der Öffentlichkeit analog den Schwulen und Lesben zeigen zu müssen?
Dem Argument der Superintendentin des Kirchenkreises Pirna, wonach die sogenannte Regenbogenfahne keine politische Haltung zeigt, sondern die Offenheit und Solidarität einer Lebensform darstellt, die im Dritten Reich verboten war, muss widersprochen werden. Erstens kann man ernsthaft bestreiten, dass die Regenbogenfahne, so wie sie in den letzten Jahren regelrecht als Kampfzeichen eingesetzt wurde, keine politische Haltung zeigt. Zweitens hätten dann auch andere Personengruppen, wie zum Beispiel die Zeugen Jehovas das Recht, ihre Vereinsfahne überall zu hissen, weil auch diese Gemeinschaft im Dritten Reich verboten war. Es scheint also wohl doch mehr um eine politische Auseinandersetzung zu gehen, die eine Lebensform einer Minderheit zum Maßstab der Mehrheitsgesellschaft machen will. Die Auseinandersetzung ist allerdings insoweit erschreckend, als sie eine Minderheit von Personen, die eine Lebensform praktizieren, die ihre originäre private Angelegenheit ist, für gesellschaftspolitische Zwecke instrumentalisiert. Damit nimmt man den Personenkreis, für den man meint, sich einzusetzen, nicht ernst.
Aktuell sollte die Kirche alles unternehmen, die Gesellschaft nicht zu spalten, sondern die Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Lebensformen der Menschen, unvoreingenommen zur Kenntnis nehmen. Vielleicht sollte sich die Kirche auch fragen, ob die Austrittswelle aus ihren eigenen Reihen, auch mit dieser politischen Rechthaberei etwas zu tun haben könnte. Viele Kirchenmitglieder und diese sind auch nur ein Spiegelbild der Zivilgesellschaft, sind es leid, immer nur noch von Randgruppen belehrt zu werden.