Die Sächsische Zeitung veröffentlichte heute in ihrem Feuilleton einen Artikel: „Die Dresdner Frauenkirche war und ist auch ein politischer Ort“. Nun wäre gegen eine solche Aussage nichts weiter einzuwenden, wenngleich es auch viele Bürger in Dresden geben wird, die sich von einer solchen Einstellung abgestoßen fühlen oder diese zumindest kritisch hinterfragen. Die evangelische Kirche hatte noch nie besondere Probleme, sich eindeutig politisch zu artikulieren. Schließlich hat dies auch sehr oft zu weiteren Spaltungen in der Kirche geführt und auch zu politischen Verwerfungen beigetragen. Die Einführung des damaligen evangelischen Militärbischofs Hermann Kunst, der am 22. Februar 1957 in sein Amt eingeführt wurde, führte seinerzeit zur Trennung der evangelischen Kirche in Berlin Brandenburg, weil die Regierung der damaligen DDR sich brüskiert fühlte. Es gab deshalb damals den Bischof Albrecht Schönherr für die evangelische Kirche in der DDR sowie Bischof Otto Debelius, der seinen Sitz im damaligen West-Berlin hatte.
Eine einseitige politische Haltung der Kirche – inzwischen scheint dies auch bei der katholischen Kirche in Deutschland geübte Praxis zu sein – führt sehr schnell zur Ausgrenzung eines Teils der Gläubigen, weil sich diese nicht mehr vertreten oder gar durch ihre Kirche desavouiert fühlen. Im Zusammenhang mit der aktuellen politischen Entwicklung, in der die größte Oppositionspartei von der Regierung regelrecht verfolgt wird und sich die Kirchen dieser Praxis angeschlossen haben, wird die Spaltung der Gemeindemitglieder in beiden Kirchen immer prekärer.
Nun hat sich der gegenwärtige Pfarrer der Dresdner Frauenkirche im Rahmen eines Interviews mit der Sächsischen Zeitung auch sehr deutlich politisch artikuliert. Auch dies wäre aufgrund des gegenwärtigen Zustandes der evangelischen Kirche kein Grund, zu einer weiteren Erörterung. Was jedoch viele Christen sehr wütend macht, so dass sie sich fragen, ob sie noch in ihrer Kirche zu Hause seien, ist die Wahrnehmung, dass Pfarrer Engelhardt sich in seinem ablehnenden Verhalten gegenüber der AfD voll mit dem gegenwärtigen Parteienstaat identifiziert, indem er die bewusst falsche Aussage der Regierung übernimmt, dass die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft ist, weil der Verfassungsschutz dies festgestellt habe. Er hätte auch gleich sagen können, weil die SPD in Sachsen die AfD bekämpft, folgt ihr Mitarbeiter der Leiter des Landesverfassungsschutzes dieser politischen Auffassung und erklärte die AfD für rechtsextrem. Die Meinung des Verfassungsschutzamtes ist eine politische Meinung, die man teilen kann oder auch nicht. Rechtlich ist sie irrelevant. Erst das Bundesverfassungsgericht hat die Zuständigkeit, eine Partei entsprechend zu klassifizieren und sie gegebenenfalls sogar zu verbieten. Übrigens obliegt es auch Verwaltungsgerichten nicht, eine Partei inhaltlich politisch einzuordnen, da diese Gerichte ausschließlich verfahrenstechnische Fragen im Zusammenhang mit Verwaltungsanordnungen etc. zu prüfen und zu entscheiden haben.
Wir haben deshalb Herrn Pfarrer Engelhardt einen Brief gesandt, indem wir auf diesen – unserer Meinung nach – fatalen Irrtum in der Beurteilung eines politischen Sachverhalts hinweisen wollten.
Sehr geehrter Herr Pfarrer Engelhardt,
in einem sehr ausführlichen Artikel der Sächsischen Zeitung haben Sie sich dazu geäußert, dass die Dresdner Frauenkirchen-Gemeinde zwangläufig auch politisch Meinungen vertritt. Dazu ist meines Erachtens nichts zu sagen, wenn die politischen Meinungsäußerungen nicht explizit in Form einer einseitigen Parteinahme erfolgen. In diesem Zusammenhang wurde – wie so bei allen gesellschaftlichen Erörterungen in der letzten Zeit – auch die AfD in die Überlegungen einbezogen. Dabei brachten Sie in dem Interview mit der SZ – so die Zeitung korrekt berichtet hat – zum Ausdruck, dass eine Diskussion mit der AfD ausgeschlossen sei, weil diese Partei Ihrer Meinung nach, Auffassungen vertrete, die Sie als Pfarrer und die – so Ihre Feststellung – auch die Kirche nicht akzeptiere. Nun ist auch dies eine Meinung, die jeder Bürger für sich haben kann. Problematisch wird es allerdings, wenn solche Meinungen qua Amt geäußert werden, weil sie dann einen anderen Stellenwert gegenüber den Bürgern zwangsläufig haben. Der Pfarrer gilt auch noch heute für viele Bürger als eine herausgehobene Person, von der man hofft, dass sie richtungsweisende Gedanken äußern. Was aber aus meiner Sicht nicht akzeptabel ist, sind Feststellungen, deren vermeintliche Begründung schlicht und einfach falsch sind. Wenn Sie als Pfarrer Ihre ablehnende Haltung gegenüber der AfD damit begründen, dass diese Partei vom Landesverfassungsschutz-Amt sowie vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft sei, dann beteiligen Sie sich an einer Irreführung, die gegenwärtig von den regierenden Parteien gegenüber den Mitbürgern bewusst erfolgt. Sowohl das Landesverfassungsschutz-Amt als auch das Bundesamt sind nachgeordnete Behörden der jeweiligen Innenminister, die der jeweiligen politischen Meinung ihrer Vorgesetzten, das sind die Innenminister, zu folgen haben. Gesichert rechtsextrem und damit verfassungsfeindlich oder verfassungswidrig ist eine Partei nur dann, wenn dies vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Übrigens ist Deutschland das einzige Land in Westeuropa, in dem die Regierung ihre Opposition geheimdienstlich ausforscht. Zuletzt erfolgte dies in der DDR, davor bei den Nationalsozialisten.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Pfarrer diese Zusammenhänge unseres Grundgesetzes nicht kennen sollte, so dass er entweder aus Unwissenheit oder aus Vorsatz eine Auffassung vertritt, um eine politische Partei zu diskreditieren. Das wäre eine sehr unchristliche Verhaltensweise, die man von einem Pfarrer nicht erwarten sollte. Dass sich die Kirchen – auch die katholische Kirche bewegt sich hier im politischen Mainstream – in gleichem Maße äußern, ist schon schlimm genug. Hier gehe ich aber davon aus, dass diese Organisationen mittlerweile so verweltlicht sind, dass sie sich mit dem jeweiligen Staat glauben, voll identifizieren zu müssen. Betrachten wir die Geschichte, einschließlich der jüngeren Zeit, dann hat sich zwischen Kirche und Staat nicht viel geändert.
Es wäre schön, wenn Sie Ihre Auffassung in diesem Zusammenhang reflektieren und vielleicht doch eine andere Begründung für Ihre persönliche Ablehnung einer Partei formulieren.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg-Michael Bornemann