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Die Wahlrechtsreform verschafft den Parteien eine Monopolstellung

Man könnte sagen „alle Jahre wieder“ und meint damit den Vorsatz der Parteien eine Wahlrechtsreform durchzuführen. Ziel dieser Reform soll die Reduzierung der Bundestagsabgeordneten sein, da der Bundestag sich bereits jetzt anstatt aus ursprünglich vorgesehenen 598 Abgeordneten aus 736 Abgeordneten besteht. Damit ist allein von der zahlenmäßigen Größe eine ordnungsgemäße Arbeit des Bundestages gar nicht mehr möglich. Wenn man zudem wahrnimmt, dass ohnehin die Entscheidungen im Wesentlichen von den Parteiführungen vorgegeben werden und die Abgeordneten nur noch ihre Hand im Gleichschritt erheben, dann wird die hohe Zahl solcher Abgeordneten noch problematischer.

Gegenwärtig sollte unser Wahlsystem eine austarierte Kombination sein, bei der einerseits eine Persönlichkeitswahl möglich ist und anderseits die Parteien über die sogenannte Zweitstimme ebenfalls berücksichtigt werden. Damit hätten die Wähler die Möglichkeiten, auch bestimmte Kandidaten, die von ihren Parteien nicht auf obere Listenplätze gesetzt wurden, zu wählen.

Anderseits besteht die Problematik darin, dass es Parteien gibt, so zum Beispiel die FDP, die bei der letzten Bundestagswahl 11,5 % der Wählerstimmen erhalten haben, die Bürger aber keinen FDP-Politiker direkt in den Bundestag gewählt hatten. Das Gegenbeispiel kann bei der CSU gesehen werden, die in Bayern von 46 Direktmandaten 45 Mandate erhielt. In Bezug auf das gesamte Bundesgebiet erreichte die Partei aber nur 5,2 % der Stimmen, so dass sie danach nur 34 Mandate hätte erreichen können.

Allein aus diesen Beispielen läßt sich die Problematik erkennen, die entsteht, wenn an dem Verhältnis zwischen Personenwahl und Mehrheitswahl „herumgeschraubt“ wird.

Bei dem jetzigen Modell ist das Hauptproblem, dass eine Partei, sofern sie sehr viele Direktmandate erreicht, zusätzlich Mandate aufgrund der sogenannten Zweitstimmen erhält. Dies führt wiederum dazu, dass sogenannte Überhangsmandate und Ausgleichsmandate zugeordnete werden müssen, um eine Parität bei den Parteien in Bezug auf ihre tatsächliche Stimmenzahl, die sie erreicht haben, herzustellen. Das wiederum führt dann wieder zu einer unverhältnismäßig hohen Anzahl der Abgeordneten im Bundestag.

Der jetzt vorliegende Vorschlag der Regierungskoalition sieht jetzt eine Umkehrung in der Gewichtung zwischen der Personenwahl und der Mehrheitswahl vor. Damit wird die Bedeutung und das Gewicht der Parteien, die ja nach unserem Grundgesetz eigentlich nur an der Willensbildung mitwirken und nicht allein selbst bestimmen sollen,  erheblich gestärkt. Die bisherige Zweitstimme, die wesentlich das Stimmenverhältnis der Parteien im Bundestag bestimmt, soll zukünftig die sogenannte Hauptstimme sein. Die Parteien erstellen Listen mit den Abgeordneten, die sie vorschlagen, wobei die Reihenfolge ausschließlich von den Parteien selbst bestimmt wird. Das hat zur Folge, dass die Bürger, sofern sie eine bestimmte Partei wählen, automatisch die vorgeschlagenen Kandidaten der Parteien wählen. Die Anzahl der gewählten Kandidaten bestimmt sich ausschließlich nach dem prozentualen Stimmenanteil, den die jeweilige Partei erreicht hat. Die Direktwahl von Kandidaten soll dann nicht mehr die bisherige Bedeutung haben, weil ein direkt gewählter Kandidat nur dann als gewählt gilt, wenn er neben der Stimmenmehrheit auch zusätzlich zu der Gruppe der Kandidaten einer Partei in einem Bundesland gehört, die auf die Zahl der Listenmandate begrenzt ist.  Im Klartext bedeutet dies, es können niemals mehr Kandidaten gewählt werden, als nach der jeweiligen Parteiliste vorgesehen sind. Auf Nachfrage erklärte die AfD, dass auch sie dieses Verfahren für richtig hält und unterstützen wird. Sie verwies zudem auf einen von ihr bereits im jahr 2020 eingebrachten Gesetzesentwurf (Drucksache 19/22894). die jetzt von der Regierungskoalition vorgesehene Regelung könnte von diesem AfD-Entwurf abgeschrieben sein.

Einerseits wäre es mehr als zu begrüßen, wenn die personelle Aufblähung des Bundestages endlich beendet wird. Sie hindert die Arbeit aufgrund der Anzahl der Abgeordneten. Sie kostet dem Steuerzahler aber auch ein Unsumme, die dann gerechtfertigt wäre, wenn de Abgeordneten wirklich ihrer Aufgabe gerecht werden würden und sich nicht einem Fraktionszwang unterwerfen müssen, der dazu führt, dass letztlich nur ein kleiner Kreis von Parteifunktionären die Entscheidungen trifft und dann den Bürger gegenüber darstellt, es sei der Wille der gewählten Volksvertreter.

Anderseits führt – wie bereits erwähnt – die jetzt vorgesehene Regelung zu einem unverhältnismäßigen Machtzuwachs der Parteien. die Parteien werden nur die Kandidaten auf ihren Listen in die ersrten Positionen stellen, die willfährig dem Parteiwillen folgen. Alle anderen Kandidaten, erst recht freie Kandidaten, die sich gegen etablierte Parteien wenden, werden zukünftig kaum eine Chance haben, in den Bundestag gewählt zu werden. Gerade unter dem Aspekt, dass es mittlerweile Organisationen gibt, die gezielt daran arbeiten, ihnen genehme Kandidaten im Wahlkampf aufzubauen und zu finanzieren, genannt sei hier die Organisation „Brand New Bundestag“, ist die neue Regelung ein Einfallstor. Der Wille des Souveräns, sprich des Bürgers, wird immer mehr in den Hintergrund gedrängt, so dass die Frage gestellt werden muss, ob der Bundestag dann noch wirklich die Interessen der Bürger und nicht die Interessen von Parteiapparaten vertritt.

Ein Gegenmodell zu dem jetzt vorgeschlagenen Wahlverfahren wäre das sogenannte Grabenwahlreicht. Bei diesem Verfahren würde die Hälfte der Mandate über die bisherige Erststimme vergeben, die zweite Hälfte über die derzeitige Zweitstimme. Bei diesem Verfahren wäre mindestens eine Parität zwischen der Personenwahl und der Verhältniswahl gegeben. Es ist aber zu befürchten, dass die gegenwärtigen Parteien gar nicht den Bürger im Fokus haben, sondern in erster Linie ihre eigene Macht erhalten und festigen wollen. Der Bürger darf dann lediglich die Kosten übernehmen.