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Bürgerräte haben das Potential die Demokratie zu gefährden

Die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas erklärt aktuell voller Stolz, dass jetzt die Auslosung der Mitglieder des ersten Bürgerrats erfolgte. Damit würde man die Bürger an der politischen Willensbildung mit beteiligen und der Politikverdrossenheit, die gar keine Politikverdrossenheit, sondern eine Parteienverdrossenheit ist, entgegenwirken.

So ganz nebenbei sollte darauf hingewiesen werden, dass die Bildung von Bürgerräten eine wichtige Forderung der sogenannten letzten Generation ist, die offensichtlich von den gegenwärtig an der Regierung beteiligten Politikern aufgegriffen wurde. Was auf den ersten Blick als Meilenstein für die Belebung der Demokratie aussieht und von der Bundestagspräsidentin  Bas auch so den Bürgern verkauft wird, ist in Wahrheit eine brandgefährliche Entwicklung. Was so demokratisch aussieht ist in Wahrheit eine zunehmende Delegitimierung des gewählten Bundestages und auch der jeweiligen Landesparlamente, sofern man diese sogenannten Bürgerräte auch auf Landesebene etablieren sollte. Der Gesetzgeber geht bisher davon aus, dass im Rahmen einer repräsentativen Demokratie das Volk durch seine gewählten Abgeordneten im Bundestag vertreten wird. Dazu sollte der Bundestag ein Spiegelbild der Bevölkerung sein und somit den Willen des Volkes im Bundestag zur Geltung zu bringen. Wenn dieses wohl durchdachte System praktiziert würde, benötigte man nicht zusätzliche Gremien, um die Anliegen der Bevölkerung in die Politik einzubringen. Im Gegensatz zu den Verfassern des Grundgesetzes hat sich mittlerweile eine Auswahl von Politikern im Bundestag getroffen, die eben nicht mehr das Spiegelbild der Gesellschaft abbilden. Ein großer Teil der Abgeordneten sind Angehörige des öffentlichen Dienstes und somit vertreten sie ihre eigenen Interessen. Ein weiterer großer Block besteht aus reinen Parteifunktionären, die beruflich – wenn sie überhaupt berufstätig waren – immer im Umfeld ihrer Parteien agierten und oft vom Studium, ein Teil der Abgeordneten haben ihr Studium abgebrochen, direkt über ihre Parteien in den Bundestag gebracht wurden. Um den Kritikern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, natürlich wurden sie gewählt, aber meistens nur im Dunstkreis ihrer Parteien auf den Parteilisten.

Wenn es den Politikern darum gehen würde, dass das Volk wieder an der Willensbildung im Bundestag beteiligt sein sollte, dann sind dazu nicht neue Gremien neben dem Bundestag notwendig, sondern die Abgeordneten im Bundestag müssten wieder wirkliche Abgeordnete werden, die ausschließlich ihrem eigenen Gewissen folgen können und sich nicht an Beschlüsse der Parteiführungen gebunden zu halten haben. Zusätzliche Gremien, auch wenn sie den Anschein einer Bürgerbeteiligung erwecken sollen, sind kontraproduktiv und vernebeln, dass die Bürger tatsächlich keinen Einfluss haben.
Betrachten wir die sogenannten Bürgerräte, die jetzt als die Wunderwaffe zur Belebung der Demokratie dargestellt werden. Da werden Personen nach einem vorher festgelegten Algorithmus ausgewählt, so dass damit ein wirklicher Querschnitt der Bevölkerung ausgewählt sein soll. Natürlich kann man kritisch nachfragen, wer diesen Algorithmus festgelegt hat und ob wirklich eine weitestgehend objektive Auswahl erfolgte.

Dann wird es aber mehr als problematisch, weil bereits auf den ersten Blick eine Manipulation der dann zusammentreffenden sogenannten Bürgerräte nicht auszuschließen ist. Es beginnt damit, dass nicht die sogenannten Bürgerräte bestimmen, welche Themen sie behandeln wollen. Die legt die Regierung dem Gremium vor. Das erste Thema, mit dem sich der Bürgerrat befassen soll, wird die Ernährung sein. Dem Bürgerrat wird ein Gremium zur Seite gestellt, dass die Diskussionen und Erörterungen sowie deren organisatorischen Abläufe determiniert, so dass damit zwangsläufig eine gewisse „Lenkung“ in der Diskussion erfolgt, Weitere Experten haben die Aufgabe, die Mitglieder des Bürgerrats mit den zu behandelnden Themen erst einmal auf einen allgemeinen Sachstand zu versetzen. Vornehm umschrieben soll damit sichergestellt sein, dass die sogenannten Bürgerräte überhaupt das Wissen zur jeweiligen Sache erhalten, um sich mit der Thematik zielführend beschäftigen zu können. Diese Art der „Wissensvermittlung“ kann bereits manipulativ erfolgen. Eine professionelle Mediation soll sicherstellen, dass alle gleichermaßen zu Wort kommen. Ein wissenschaftliches Begleitgremium soll das „Durchführungsteam“ zusätzlich unterstützen.
Offen bleibt die Frage, wer die jeweiligen Fachexperten auswählt und was das für Fachexperten sind.

Die Methode, möglichst viele Entscheidungsgremien den eigentlich legitimierten Gremien zu entziehen ist nicht neu. Der Verfasser dieser Zeilen hat bereits vor 40 Jahren in der „Sozialen Arbeit“ einer Fachzeitschrift des damaligen Senats für Familie Jugend und Sport in Westberlin einen Aufsatz mit dem Thema „Neustrukturierung der sozialen Dienste in Berlin“ veröffentlicht. Bereits seinerzeit wollte die Landesregierung in Berlin – übrigens unter einem SPD-Senat – neue Gremien schaffen, die neben den parlamentarischen Ausschüssen neue Strukturen in der sozialen Landschaft entwickeln sollten. Dieses Projekt wurde nie aufgegeben. Die Gedanken und Ideen finden sich auch in den sogenannten Bürgerräten wieder. Es ist auch keine Überraschung, dass die links-grüne Organisation „letzte Generation“ die Schaffung von Bürgerräten gewaltsam durchsetzen wollte, was ihnen ja nun auch gelungen ist.

Wenn es den Politikern um eine Beteiligung der Bürger an der politischen Willensbildung gehen sollte, müssten sie wieder den Bundestag in die Lage versetzen, dass seine Mitglieder den Querschnitt der Bürger in Deutschland abbilden. Die Abgeordneten müssten wieder ihrer vom Grundgesetz zugewiesenen Verantwortung bewusstwerden und ihre Entscheidungen auf der Grundlage ihres Gewissens und nicht auf der Grundlage von Parteibeschlüssen treffen.
Aktuell könnten Volksabstimmungen wie sie in der Schweiz existieren, vorgesehen werden, so dass bei wesentlichen gesellschaftlichen Fragestellungen die Bürger ihre Meinung qualifiziert einbringen können. Aber es sieht nicht so aus, dass solche Überlegungen von den gegenwärtigen Parteifunktionären aller Parteien in Erwägung gezogen werden. Wahrscheinlich haben die Politiker Angst, dass damit ihre eigene Macht schwindet und die Erhaltung der Macht scheint vielen Politikern wichtiger zu sein, als das Wohl des Volkes, dessen Interessen sie eigentlich zu vertreten haben.

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Bürgerräte zerstören unsere Demokratie

Aktuell in den letzten Wochen wird immer mehr die Frage gestellt, ob unsere Demokratie wirklich noch funktionsfähig sei. In einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung wird zum Ausdruck gebracht, dass jeder zweite deutsche Bürger mit dem gegenwärtigen Zustand der Demokratie nicht mehr einverstanden ist. In den sogenannten „neuen“ Bundesländer ist diese Zahl noch erschreckend höher. Aber bereits beim Bezeichnen der Bundesländer im Osten Deutschlands wird dem Verfasser dieser Zeilen bereits ein Punkt erkennbar, woran es liegen könnte, dass die Unzufriedenheit der Bürger in Deutschland immer größer wird. Was heißt denn „neue Bundesländer?“ Wird nicht damit ein Teil der Deutschen regelrecht ausgegrenzt, weil man ihnen unterstellt, erst seit der sogenannten Wiedervereinigung zur Bundesrepublik Deutschlands zu gehören? Dabei wurde den Bürgern vor dieser sogenannten Wiedervereinigung immer erzählt – und dies ist übrigens auch Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland – dass die Länder, die seinerzeit als DDR bezeichnet wurden, Teil des gesamten deutschen Volkes gewesen sein sollen. Wenn man dies ernst nehmen würde, dann verbietet es sich, von neuen Bundesländern überhaupt zu reden.

Aber an diesem Beispiel wird auch erkennbar, wie sehr das Gerede der Politiker von den Rechtsgrundsätzen abweicht und immer mehr zu hohlen Phrasen verkommt. Dieser Prozess ist keinesfalls erst über Nacht auf uns hereingebrochen, sondern ist eine lange Entwicklung, an der insbesondere die Parteien beigetragen haben. Wenn im Artikel 21 GG im Absatz 1 formuliert wird: Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit, dann hatten die Verfasser des Grundgesetzes mit Sicherheit nicht gewollt, dass die Parteien die Willensbildung des Volkes bestimmen, sondern eben nur mitwirken. Inzwischen scheinen die Parteien zu meinen, sie haben zu bestimmen. Denn nichts anderes bedeutet auch ihr schöner Spruch: „Man muss die Bürger mitnehmen.“ Nein, nicht die Parteien haben die Bürger „mitzunehmen“, sondern die Bürger sind der Souverän und nicht die Parteien.

Das Grundgesetz schreibt in Art. 21 auch vor, dass die Parteien die freiheitlich demokratische Grundordnung einzuhalten haben. Wenn sie dies nicht tun, sind sie von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen. Im gleichen Artikel des Grundgesetzes steht aber auch, dass darüber nicht nachgeordnete Verfassungsschutzbehörden zu entscheiden haben. Über die Frage einer möglichen Verfassungsfeindlichkeit entscheidet ausschließlich das Bundesverfassungsgericht.

Wenn die Bürger wahrnehmen müssen, dass sich die Parteien immer mehr von den gesetzlichen Grundlagen abwenden und sich ihr eigenes Recht schaffen, dann ist es auch nicht überraschend, dass dies bei den Bürgern nicht zur Förderung des Demokratiebewusstseins beiträgt.
Noch gravierendender für die Bürger ist es, wenn sie feststellen müssen, dass ihre gewählten Abgeordneten gar nicht mehr frei im Bundestag entscheiden können. Artikel 38 GG schreibt vor: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Faktisch haben sich die Abgeordneten einem Fraktionszwang ihrer Parteien zu unterwerfen, die an der politischen Willensbildung mitbestimmen, aber nicht allein entscheiden sollen. Auch wenn die Parteifunktionäre meinen, sie müssen dafür sorgen, dass mehr Männer oder Frauen im Bundestag vertreten sein sollten, ist das eine Anmaßung und Bevormundung des Wählers, der einzig und allein zu entscheiden hat, wen er als Abgeordneter im Bundestag sehen möchte.
Bevor man meint, die Demokratie dadurch „verbessern“ zu können, wenn man neue Gremien, die nach dem Grundgesetz gar nicht vorgesehen sind, einrichtet, sollte man sich einmal darum bemühen, die bestehenden Bestimmungen des Grundgesetzes umzusetzen. Es muss wieder sichergestellt werden, dass der Wille des Volkes und nicht der Wille von Parteien im Bundestag zur Geltung kommt.

Unser Grundgesetz sieht im Bundestag ausschließlich vor, dass Fachausschüsse im Bundestag eingerichtet werden, in denen eine intensive und umfangreiche Vorbereitung von Gesetzesvorhaben erfolgen soll. § 70 GG sieht sogenannte Anhörungssitzzungen vor. Damit haben die Abgeordneten die Möglichkeit, sich umfassend Sachverstand von Bürgern vortragen zu lassen. Es ist keinesfalls notwendig, ja es würde den Parlamentarismus aushebeln, wenn man glaubt, durch zusätzliche „Bürgerräte“ mehr Sachverstand für die Erarbeitung von Gesetzen zu erhalten.

Die Bürger sind zunehmend verdrossen, wenn sie feststellen, dass es ein Parlament gibt, in dem nur noch das entschieden wird, was die jeweiligen Fraktionsführungen vorgeben. Die Politiker und ihre Parteien haben dazu beigetragen, dass diese Demokratie ausgehebelt wurde und man inzwischen den Eindruck haben muss, als ob die Parteien sich des Staates bemächtigt haben. Den Bürgern kann man allenfalls den Vorwurf machen, dass sie bisher lautlos zugesehen haben, wie die Parteien dafür gesorgt haben, dass nur noch willfährige Parteisoldaten als Kandidaten für den Bundestag aufgestellt werden. Zu einem großen Teil von Personen, die, sofern sie einen Berufs- oder Studienabschluss haben, nie produktiv gearbeitet, sondern sich nur als Parteimitarbeiter im Dunstkreis von Parteien bewegt haben. Von solchen Abgeordneten kann kein Bürger erwarten, dass sie ihre eigene Meinung vertreten und sich ausschließlich an den Interessen der Bürger orientieren. Diese Politiker sind auf Gedeih und Verderb von ihren Parteien abhängig und werden nur das Lied desjenigen singen, der für ihre Existenzgrundlage sorgt. Dieses System muss beendet werden, weil sonst die Demokratie endgültig in den Abgrund gleitet.
Nicht neue Räte sind erforderlich. Den besten Rat für eine lebende Demokratie kann aus unserem Grundgesetz abgeleitet werden. Allerdings muss man dann auch in der Lage sein, schwierige Texte zu lesen und vor allen Dingen auch zu verstehen. Und hier kann man bei einigen Abgeordneten Zweifel haben.