Kategorien
Aktuell

Olaf Scholz – Zauderer oder souveräner Staatsmann?

Das Interview des Bundeskanzlers im ZDF am 2.5.2022 mit Bettina Schausten und dem Chefredakteur des ZDF, Peter Frey, war insofern erhellend, als sich die Zuschauer einen Eindruck machen konnten, warum der Kanzler in der letzten Zeit nicht ganz so schnell im Zusammenhang mit Waffenlieferungen an die Ukraine reagiert haben könnte. Grundsätzlich brachte Scholz zum Ausdruck, dass seiner Meinung nach auch die Freiheit Deutschlands in der Ukraine verteidigt wird. Allerdings blieb er hier eine Begründung dieser Auffassung, die keinesfalls unwidersprochen im Raum stehen bleiben kann, schuldig. Er bezog sich auf die seinerzeitige Äußerung des damaligen Verteidigungsministers Struck, der behauptete, dass die Freiheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt würde. Solche Sprüche klingen immer sehr gut, gleichwohl sie bergen die Gefahr, dass dann nicht mehr darüber nachgedacht wird, inwieweit solche Aussagen mehr politische Vernebelung als objektive Wahrheit sind.

Wenn man die Einlassung von Scholz glauben sollte, dass in der Ukraine die Freiheit Deutschlands verteidigt werde, dann sollte man den Kanzler fragen, warum die Amerikaner mittlerweile als Kriegsziel gar nicht mehr die Ukraine im Mittelpunkt sehen, sondern meinen, dass eigentliche Ziel sei Russland so zu schwächen, dass es international keine Rolle mehr in der Welt spielen könne. Die FAZ-Online Ausgabe berichtete, dass der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin in Polen gesagt habe: „Wir wollen Russland in einem Maße geschwächt sehen, dass es dem Land unmöglich macht, zu tun, was es in der Ukraine mit der Invasion getan hat. Russland habe schon viele seiner militärischen Ressourcen verloren und auch viele Soldaten. Wir wollen, dass sie nicht in der Lage sind, diese Ressourcen schnell zu ersetzen.“ Diese Äußerung wurde zwar danach von amerikanischen Regierungsstellen etwas relativiert, indem auf den Verlauf des Krieges in der Ukraine verwiesen und so getan wurde, als wenn sie die Äußerung des Verteidigungsministers nur auf den Kriegsverlauf in der Ukraine bezogen hätte. Aber wie das immer so mit Worten ist, wenn diese einmal ausgesprochen wurden, ist es schwer, sie wieder zurückzuholen. Auf jeden Fall kann man bei einer solchen Kriegs-Rhetorik nicht davon sprechen, dass es um die Verteidigung der Freiheit in Deutschland gehen würde.

Bundeskanzler Scholz wies in dem Interview mit dem ZDF darauf hin, dass Entscheidungen im Zusammenhang mit Waffenlieferungen sehr sorgfältig zu treffen sind, weil man immer die möglichen Konsequenzen bei solchen Sachverhalten bedenken müsse. Insofern könne man nicht erwarten, dass er als Kanzler so wie eine PR-Agentur verfährt. Er wies darauf hin, dass es berechtigte Sorgen und Bedenken von Bürgern gibt, die sich gegen weitere Waffenlieferungen wenden.

Teilweise vermittelte Scholz, dass er sich wohlwollend von den vielen selbsternannten Militärexperten aus der Politik und der Wissenschaft unterscheidet, weil er die verbale Kriegs-Rhetorik, bei der sich eine FDP-Waffenfrau mit gut gesteilter Frisur und maskulinen Anzügen besonders hervortut, vermied. Anderseits erklärte er aber auf die Frage, welches Ziel die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen in der Ukraine verfolge, dass „Russland nicht gewinnen dürfe, die Ukraine müsse gewinnen“. Auf Nachfrage der Interviewer relativierte Scholz seine absolute Forderung nach einem Sieg der Ukraine, was ja im Klartext eine Niederlage Russlands bedeuten würde, indem er feststellte, „dass die Politik der Russen nicht gewinnen dürfe. Auch Scholz scheint sich die von den USA vorgebende Marschrichtung zu eigen gemacht haben, nämlich, dass eine dauerhafte Schwächung Russlands das Ziel der gegenwärtigen Bemühungen sei. Das wiederum zeigt auch bei Bundeskanzler Scholz, dass es eben nicht nur – oder vielleicht gar nicht – um die Bevölkerung der Ukraine geht, sondern dass die ukrainischen Auseinandersetzungen für die sogenannte westliche Wertgemeinschaft, sprich NATO, nur ein willkommener Anlass waren, um jetzt endlich die bereits seit Jahren vorbereitete militärische Flurbereinigung im Osten durchzusetzen. Mit den Ländern Schweden und Finnland wäre die Nato-Flanke gegen Russland vollständig geschlossen. Dann geht es nur noch darum, die Russen so zu schwächen, dass man nach der von den Amerikanern weltweit praktizierten Technik, die Bevölkerungen der feindlichen Staaten von innen her durch eine sogenannte zivilbürgerliche Infiltration so gegeneinander aufzubringen, dass man sich dann eines Tages als der große Retter aufführen kann und eine „friedliche“ Revolution durchsetzt. Beim Maidan hat es fast funktioniert.

Den Preis einer solchen Vorgehensweise zahlen nicht die Politiker, die auf dem Rücken der jeweiligen Bürger ihre Machtpolitik vorantreiben. Die Rechnung bezahlen die – um mit dem Jargon der SPD zu reden – hart arbeitenden „Bürger und Bürgerinnen“ durch hohe und teilweise nicht mehr bezahlbaren Energie- und Lebenshaltungskosten. Bisher hat das immer sehr gut funktioniert, da diese Bevölkerungsgruppen dann auch noch diejenigen gewählt hat, die sie im Grunde genommen an der Nase herumführten. Hier fällt dem Verfasser dieser Zeilen das Lied des Liedermachers Franz Josef Degenhardt „Schlechte Zeiten“ ein, das er bereits vor 50 Jahren vortrug. In diesem Lied gibt es eine Strophe, die nach wie vor Gültigkeit hat und das Verhalten der Politiker gegenüber ihren Mitbürgern eindrucksvoll beschreibt:

„So haben wir paar kleine Spießer verarscht,
als stamme die ganze Scheiße von den´,
und die sind doch bloß so beschissen, weil sie
so beschissen werden und es selber nicht sehn.“

So sieht man wieder, dass sich das Verhalten der Politiker nicht geändert hat. Vielleicht ist es einfach systemimmanent, wie man in Zeiten des Liedermachers Degenhardt zu sagen pflegte,